Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
fragte ich ihn.
»Gar nichts«, erwiderte er. »Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass du nichts wissen willst. Das ist ja so interessant.«
»Warum?« Mein Unterrichtsraum lag am Ende des Korridors. Es war nicht mehr weit.
»Weil die meisten Mädchen, die mir hier begegnen, wissen wollen, wo ich herkomme, sobald sie meinen Akzent hören. Und normalerweise sind sie begeistert darüber, das Vergnügen meiner Unterhaltung genießen zu dürfen.«
Gott, wie arrogant.
»Der Akzent ist übrigens englisch.«
»Ja, das habe ich schon mitgekriegt.« Nur noch drei Meter.
»Ich bin in London geboren.«
Zwei Meter fünfzig. Darauf antworte ich nicht.
»Meine Eltern sind vor zwei Jahren von England hierhergezogen.«
Ein Meter zwanzig.
»Eine Lieblingsfarbe habe ich nicht, aber Gelb mag ich überhaupt nicht. Schreckliche Farbe.«
Ein halber Meter.
»Ich spiele Gitarre, liebe Hunde und hasse Florida.«
Noah Shaw zog alle Register. Ich musste unwillkürlich lächeln. Dann waren wir da.
Ich schoss in den hinteren Teil des Raums und pflanzte mich an einen Tisch in der Ecke.
Noah folgte mir. Er war überhaupt nicht in diesem Kurs.
Er setzte sich an den Nachbartisch und ich übersah demonstrativ, wie sich seine Klamotten an seinen schmalen Körper schmiegten, als er sich an mir vorbeischob. Jamie kam herein und bedachte mich mit einem langen Blick, ehe er sich kopfschüttelnd auf die andere Seite von mir setzte. Ich holte mein Matheheft heraus und tat, als würde ich mich auf die beschriebenen Seiten vor mir konzentrieren. Was nichts anderes hieß, als dass ich Männchen malte, bis Mr Walsh vorbeikam, um die Hausaufgaben einzusammeln. An dem Tisch, an dem Noah jetzt saß, blieb er stehen.
»Kann ich Ihnen helfen, Mr Shaw?«
»Ich hospitiere heute in Ihrem Unterricht, Mr Walsh. Ich habe eine kleine Algebra-Auffrischung dringend nötig.«
»So, so«, sagte Mr Walsh trocken. »Haben Sie das schriftlich?«
Noah stand auf und verließ den Raum. Er kam wieder, als Mr Walsh die Hausaufgaben durchging, und siehe da, schon reichte er dem Lehrer einen Zettel. Mr Walsh sagte nichts und Noah setzte sich wieder auf den Platz neben mir. Was war das nur für eine Schule?
Nachdem Mr Walsh den Faden wieder aufgenommen hatte, kritzelte ich wie eine Verrückte in mein Heft und hörte gar nicht hin. Der Hund. Noah hatte mich völlig aus dem Konzept gebracht. Ich musste einen Weg finden, wie ich ihn retten konnte.
Die Gedanken an den Hund nahmen mich den ganzen Vormittag über in Beschlag. Ich blendete Noah völlig aus, obwohl er mich in der Mathestunde mit der gleichen Unbeirrbarkeit anstarrte wie ein Kätzchen, das mit einem Wollknäuel spielt. Ich sah kein einziges Mal zu ihm hinüber, während ich mir Notizen machte. Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her und nahm seinen daueramüsierten Gesichtsausdruck gar nicht zur Kenntnis.
Oder wie er sich mit seinen langen Fingern alle fünf Sekunden durchs Haar strich.
Oder wie er sich jedes Mal die Augenbraue rieb, wenn Mr Walsh mir eine Frage stellte.
Oderwie er seine unrasierte Wange in die Hand legte und mich einfach …
Anstarrte.
Als die Stunde endlich vorbei war, stand Anna die Mordlust in den Augen, Jamie kratzte die Kurve, ehe ich auch nur ein Wort mit ihm wechseln konnte, und Noah wartete auf mich, während ich mein Zeug zusammensuchte. Er hatte kein Zeug. Weder Hefte noch Bücher oder eine Tasche. Krass. Die Verwirrung musste mir im Gesicht gestanden haben, denn schon war das spitzbübische Grinsen wieder da.
Ich beschloss, etwas Gelbes anzuziehen, wenn ich ihn das nächste Mal sah. Gelb von Kopf bis Fuß, wenn ich es über mich brachte.
Wir gingen schweigend nebeneinanderher, bis mir in der Ferne eine Schwingtür auffiel.
Die Tür zur Toilette. Genial.
Sobald wir sie erreicht hatten, wandte ich mich zu Noah um.
»Ich werde eine Weile hier drin sein. Du willst sicher nicht warten.«
Ich sah den verblüfften Ausdruck in seinem Gesicht, ehe ich mit Schwung die Tür aufdrückte. Gewonnen.
Es waren nur ein paar Mädchen unbestimmten Alters im Raum und sie beachteten mich nicht, als sie hinausgingen. Ich war froh, Noah entkommen zu sein, daher erstickte ich jene Stimme in mir, die wissen wollte, welches sein Lieblingsstück auf der Gitarre war. Jamie hatte mich vor diesem Quatsch gewarnt; Noah spielte mit mir und es wäre dumm, das zu vergessen.
Außerdemwar das alles nicht wichtig. Was zählte, war der Hund. In der Mathestunde, während ich damit beschäftigt gewesen
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