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Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Titel: Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Hodkin
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ich konnte sehen, wo die Splitter in seine Haut eindrangen. Sein Oberkörper war blutüberströmt und ein wenig lief ihm auch seitlich aus dem Mund. Es ließ ihn aussehen wie den Joker in Batman .
    Ich blinzelte.
    Nun war es nicht mehr Judes Körper. Es war das Arschloch, das Mabel misshandelt hatte, das nun auf dem Boden lag, der Schädel nicht mehr als eine rosafarbene Masse, das Bein in merkwürdigem Winkel von sich gestreckt, wie eine ungelenke Ballerina. Der Linoleumboden hatte sich in Erde verwandelt und die Fliegen verstopften seine Wunden.
    Ich blinzelte erneut.
    Der Mann war fort. Und an seiner Stelle befand sich nun Morales. Sie lag auf dem Boden und ihr Gesicht war eher violett als blau. Das war schlüssig, nach dem, was ich im sechsten Schuljahr im Kunstunterricht über Primärfarben gelernt hatte. Rot und Blau ergibt Violett und Morales hatte ständig ein rotes Gesicht. Ich schwöre, dass sie aussah wie das Blaubeermädchen in Charlie und die Schokoladenfabrik . Ich neigte den Kopf und betrachtete blinzelnd die glubschäugige Leiche auf dem Linoleumboden, sicher, dass sie, genau wie die anderen, verschwinden würde, wenn ich den Blick abwandte. Was ich auch tat.
    Doch als ich wieder hinsah, war sie immer noch da.

42
    D ienächsten fünf Sekunden fühlten sich an wie fünf Stunden. Es läutete zum zweiten Mal und ich wurde von einem blonden Mädchen namens Vera beiseitegeschoben, die eine Vertrauenslehrerin anschleppte. Vera weinte. Hmm.
    »Sie war am Ersticken, als ich ankam, und ich wusste nicht, was ich tun soll!«, schluchzte Vera.
    »Bleibt zurück!«, rief Mrs Barkan, die Vertrauenslehrerin. Im Türrahmen drängten sich Horden von Schülern, die kurz vorm Durchdrehen waren.
    Ich hörte eine Sirene im Hintergrund und wenig später schoben Rettungssanitäter und Polizisten Schüler aus dem Weg, um mehr Platz zu haben. Die Leute heulten und drängelten und gingen mir unsäglich auf die Nerven, deshalb zog ich mich aus dem Getümmel zurück. Ich hatte nicht zu Mittag gegessen. Ich war kurz vorm Verhungern und völlig benommen. Ich hatte die letzte Nacht nicht geschlafen und überhaupt konnte das einfach nicht wahr sein. Hatte ich heute Morgen eigentlich meine Tablette genommen? Ich wusste es nicht mehr.
    Ich taumelte die Treppe hinunter und vom Durchgang auf das weitläufige Grün. Die Sonne blendete mich und ich hätte ihr am liebsten ins Gesicht geschlagen. Bei diesem Gedanken musste ich kichern. Dann wurde das Kichern zu einem Gackern. Kurz darauf lachte ich so sehr, dass mir die Tränen über das Gesicht liefen. Ich war komplett außer Atem und ließ mich am äußersten Ende des Schulgeländes unter einen Baum fallen, wo ich mich mit wildem Gelächter im Gras rollte und mir die schmerzenden Seiten hielt, verdammt noch mal, es war aber auch zum Totlachen.
    Wie aus dem Nichts packte mich eine Hand an der Schulter und beförderte mich in eine sitzende Position. Ich hob den Kopf.
    »Mara Dyer, nicht wahr?«, sagte Detective Gadsen. Seine Stimme klang ruhig und aufmerksam, aber der Blick seiner Augen war alles andere als freundlich.
    Hinter ihm bemerkte ich eine verschwommene Bewegung. Noah tauchte in meinem Gesichtsfeld auf, blieb aber stehen, als er sah, mit wem ich redete. Ich senkte die Augen.
    »Wie geht es dem Hund?«, fragte der Polizist.
    Ich musste mich beherrschen, um nicht erschrocken aufzusehen. Ich neigte den Kopf zur Seite und ließ mir die Haare wie einen Vorhang ins Gesicht fallen. Dahinter konnte ich mich gut verstecken.
    »Welcher Hund?«
    »Es ist komisch«, sagte er. »Der Hund, wegen dem du vor ein paar Wochen die Tierschutzbehörde angerufen hast, ist spurlos verschwunden, kurz nachdem ich mit dir geredet hatte.«
    »Das ist wirklich komisch«, sagte ich, obwohl es das nicht war. Ganz und gar nicht.
    »WarMs Morales deine Lehrerin?«, fragte er und beobachtete mich ganz genau.
    War ? Dann war sie also tot. Das zumindest war real. Unmöglich, aber real. Ich nickte.
    »Das muss sehr schwer für dich sein.«
    Fast hätte ich gelacht. Er hatte ja keine Ahnung. Oder vielleicht … vielleicht doch?
    Diese Paranoia war schon komisch, das musste ich zugeben. Was konnte der Polizist schon wissen? Dass ich gedacht hatte, Morales solle sterben, und dann war sie tatsächlich gestorben? Verrückt. Dass ich mir gewünscht hatte, der Hundebesitzer möge für das, was er getan hatte, bestraft werden, und dann war es so gekommen? Lächerlich. Etwas zu denken, ließ es noch lange nicht in Erfüllung

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