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Was gewesen wäre

Was gewesen wäre

Titel: Was gewesen wäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Sander
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verstanden hat. Das nachgebildete Wohnzimmer ihrer Eltern mit Tisch, Sofa und Originalschrank, in dem kleine Sammeltassen standen. Man durfte sie herausnehmen, und Margarete hatte da rein einen Cappuccino gegossen und Astrid auch ein Stück Kuchen auf einen der geblümten Teller geschoben. Es war mehr ein Klumpen als ein Stück. Ein Mürbeteig mit einem zerlaufenden körnigen Joghurt und ein paar Erdbeeren oben drauf. Aber es schmeckte sehr lecker, leicht und süß. »Meine Kuchen sehen alle so aus. Immer schon. Die von meiner Schwester sind perfekt, die solltest du sehen, aber meine …«, sagte Margarete und zog ratlos die Schultern hoch, während sie Astrid den Teller reichte.
    »Was habe ich mit ihr zu tun«, hatte Astrid da gedacht. Wie viele Frauen stehen zwischen mir und ihr. Wer war noch Julius’ Freundin, und wie sind die beiden Frauen, mit denen er vier Kinder hat? Mit jeder zwei.
    In das Wohnzimmerambiente hinein hatte Margarete diesen dunklen Raum gebaut. Einen Teil der Galerie abgetrennt mit einer Bretterwand, in deren Tür ein kleines rundes Loch gesägt wurde. Auf die Wand sind von außen zwei große Scheinwerfer gerichtet, und Astrid sieht nun plötzlich einen Streifen vor sich auf der dunklen Wand ihr gegenüber, an der Sascha lehnt. Nur zwei Hände breit, aber sie kann die Straße erkennen vor dem Fenster der Galerie, und wie ein junger Mann vorbeiläuft, allerdings steht dieses Bild auf dem Kopf.
    Es ist die dritte Ausstellung, die sich Astrid und Paul gemeinsam mit den beiden Brüdern ansehen. Paul sieht diesen Streifen Licht schon etwas länger, und ihm gefällt diese innerliche Arbeit von Margarete sehr. »Innerlich«, dieses Wort hat Sascha benutzt auf dem Weg hierher, in die Dohany utca, die sehr kurz ist, nur aus wenigen Häusern besteht und unweit der Freiheitsbrücke liegt.
    Paul fühlt sich wie in einem Gewitter, das nicht losgeht. Sie haben gemeinsam ein spätes Frühstück genommen, noch einmal im Café Central. Astrid und Sascha hatten das verabredet gestern bei ihrem zufälligen Treffen dort. Vielleicht eine Viertelstunde hatten die beiden noch miteinander geredet, nach Julius’ abruptem Aufbruch, und Paul hatte sich irgendwann gezwungen, sie nicht mehr anzustarren.
    Später saß Astrid auf einer unbequemen Steinbank am Donauufer und schwieg. Paul lag mit dem Kopf in ihrem Schoß. Wenn er zu ihr aufsah, dann wurde er von der tiefstehenden Sonne geblendet, und so hatte er die Augen die meiste Zeit geschlossen. »Warum hast du mir nie davon erzählt?«, fragte er irgendwann, und Astrid antwortete: »Ich wollte nicht mehr darüber sprechen. Diese Geschichte ist so lange her. Was soll sie dich überhaupt noch interessieren?«
    »Alles an dir interessiert mich«, sagte er und dachte daran, wie er Astrid seiner Therapeutin beschrieben hatte. »Das klingt, als wäre sie ein bisschen nüchtern. Sehr rational«, hatte Frau Jeschonek gesagt, und Paul hatte geantwortet: »Vielleicht ist sie so geworden. Durch diesen Beruf, dadurch, dass sie ständig an anderer Leute Herzen herummacht. Oder durch die Scheidung. Beziehungsweise die Ehe mit diesem Tobias. Sie hatte sich einen ganz anderen Mann gewünscht.«
    »Sind Sie denn dieser Mann?«, hatte die Therapeutin gefragt, und Paul hatte drauf geantwortet: »Das weiß ich nicht. Wann weiß man das schon?« Hier in Budapest auf dem Dielenboden dieser begehbaren Camera obscura fragt sich Paul, wie Astrid mit achtzehn gewesen sein könnte, aber es gelingt ihm nicht einmal, sich ihr Aussehen vorzustellen.
    Astrid hatte am Morgen den schweren schwarzen Vorhang am Eingang des Café Central zur Seite geschoben in der Hoffnung, dass Julius und Sascha schon da seien. Sie hatte sich besonders Zeit gelassen bei ihrer Morgentoilette, und Paul hatte zwei Mal an die Badezimmertür geklopft und gesagt: »Wir müssen dann.« Sie wollte, dass die Brüder da sitzen, sie wollte sie vor sich haben und nicht auf sie warten müssen.
    Paul und sie waren in das gedämpfte Licht des Cafés getreten, auch am Tage leuchteten die gläsernen Kronleuchter, und bevor der Kellner sie abfangen konnte, erkannte sie Julius und Sascha quer durch den Raum. Sie saßen auf der roten durchgehenden Lederbank, vor der mehrere runde Tische in einigem Abstand angeordnet waren. Sie waren alle leer, sodass Julius und Sascha etwas merkwürdig Verlorenes hatten und aussahen wie zwei große Schuljungen, die nachsitzen müssen. Die helle Marmorplatte des Tisches reflektierte das Licht der Lampen,

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