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Was gewesen wäre

Was gewesen wäre

Titel: Was gewesen wäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregor Sander
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und Astrid dachte, während sie das Café durchquerte, dass Paul und sie nun auf den schmalen Holzstühlen Platz nehmen müssten. Wie Prüflinge.
    Astrid hatte Julius umarmt, langsam, und ihn angesehen. Sein weiches frisch rasiertes Gesicht. Er lächelte sie an, und sie sagte »Mensch …« Dann gab Julius Paul die Hand, und sie setzten sich. Es war Sascha, der die Unterhaltung führte und keine Stille aufkommen ließ. Nachdem sie ihr Frühstück bestellt hatten, redete er von der Galerie, die Julius und er in Hamburg führten. »Wir haben uns auf die Kunst Ost- und Mitteleuropas verlegt.« Dass sie das Erbe ihres Vaters da reingesteckt hätten. Das Geld ihres an einem Schlaganfall gestorbenen Vaters. Der würde sich im Grabe umdrehen, aber Julius hätte als Musiker nichts verdient und seine eigenen Kunstambitionen seien doch eher bescheiden gewesen.
    Astrid konzentrierte sich auf ihr Spiegelei und bereute nach wenigen Minuten, es überhaupt bestellt zu haben. Es fehlte nur noch, dass ihr das flüssige Eigelb über das Kinn lief. Julius saß ihr schräg gegenüber. Sie sah ihn kurz an, wie er dasaß mit seinem hellblau-weißen Polohemd und dem feingeschnittenen Gesicht. Er trug einen Seitenscheitel, was sie etwas verwirrte. Damals hatte er die Haare immer wild durcheinander getragen, und sie hatte es geliebt, ihm mit dem Finger durch die Locken zu fahren. Jetzt waren sie kurz geschnitten und zur Seite gekämmt. »Glotz ihn nicht so an«, dachte sie, und er sah sie kurz an und dann an ihr vorbei aus dem Fenster.
    »Ich war so verknallt in sie«, hört Astrid Sascha sagen und sieht von ihrem Ei auf. Sascha hat diesen Satz in Pauls Richtung gesagt und lächelt nun auch sie an. Er beugt seinen schweren Oberkörper zu ihnen rüber, als wollte er ein Geheimnis verraten, und senkt tatsächlich die Stimme. »Hat sie dir alles erzählt, ja?« Astrid kann aus dem Augenwinkel erkennen, wie Paul nickt, und Sascha fährt fort: »Ich bin da jeden Tag rüber nach Ostberlin. Wie oft? Drei, vier Mal?« Er sieht rüber zu Julius, der sein Croissant aufgegessen hat, und der zieht die Schultern hoch: »Ja, vielleicht. Was weiß ich?« Sascha zeigt auf Astrid und sagt: »Sie wollte ja gar nicht, dass er kommt. Zumindest hat sie das gesagt, aber ganz sicher war ich mir da nicht.« Er taucht seine Brioche in den Cappuccino und beißt hinein. »Aber ich wollte, dass Julius nach Westberlin kommt. Sowieso wollte ich das. Aber vor allem wollte ich, dass sie seine Freundin bleibt. Astrid aus Neubrandenburg. Du warst damals wirklich die aufregendste Frau, die ich kannte.«
    Astrid spürt, wie ihr die Röte ins Gesicht fährt, und rührt langsam ihren Kaffee um, nimmt die Tasse in beide Hände und pustet hinein. Dann sagt sie: »Ein grüner Junge warst du doch«, und muss lachen.
    »Ja, du hast mich wirklich gar nicht bemerkt, wie ich dich angehimmelt habe. Und dem Julius habe ich in Ostberlin erzählt: Im Himmel ist Jahrmarkt. Richtig heiß habe ich den gemacht. Die Assi wartet auf dich. Nur auf dich. Ich hole dich raus. Mein Vater und ich hatten ja schon alles ausgekundschaftet. Ein Wahnsinn war das. Nur der Julius wollte erst nicht. Aber dann sagte er doch ja.« Sascha legt seine Serviette zusammen und wirft sie auf den leeren Teller. »Und ich hoffte, dass er in Westberlin wieder das Interesse an dir verliert und ich dich dann trösten könnte. Aber dann warst du ja schon weg, als wir ankamen. Meine Güte, was für eine Enttäuschung!« In Saschas Gesicht steht immer noch eine Traurigkeit oder eher Ratlosigkeit, nach all den Jahren.
    »Ich hatte gesagt, dass ich nicht bleiben werde«, antwortet Astrid. Sie legt ihr Besteck zusammen und schiebt den Teller von sich weg. Paul sieht sie von der Seite aus an, sie spürt das. Er wartet auf etwas, auf einen entschiedenen Satz von ihr, aber sie hat nichts zu sagen.
    »Ja und dann? Als du in Westberlin angekommen bist. Was war dann?«, fragt Paul und richtet den Blick auf Julius, der über seinen Cappuccino hinwegblickt und die Schultern hochzieht.
    »Was soll dann gewesen sein? Astrid war weg. Jana heulte uns die Ohren voll, und ich habe eine Woche bei Sascha gewohnt. Dann kam mein Vater, und wir haben die Lage besprochen.«
    »Die Lage besprochen?«, sagt Paul und lacht gequält. »Das klingt wie im Krieg!«
    Julius rührt im verbliebenen Rest seines Cappuccino herum und sagt: »Na ja, es musste ja irgendwie weitergehen. Ich war ja nicht nur wegen Astrid abgehauen. Ich musste ja irgendwas machen.

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