Was habe ich getan?
Vollidioten von Mark Brooker? Was für ein fürchterliches Arschloch! Kann der jemals die Klappe halten? Mein lieber Herr Gesangsverein, der labert ja ohne Ende! Die Kinder waren zu Tode gelangweilt und hätten sich am liebsten verdrückt, und ich bin zweimal beinahe eingenickt. Ich sehe schon, dass er und ich fantastisch miteinander auskommen werden. Nein, ganz im Gegenteil!«
Kathryn war von Natashas Direktheit so überrascht, dass ihr keine Antwort einfiel. Sie zerbrach sich den Kopf und versuchte, sich zu erinnern, was sie am Abend zuvor zufällig aufgeschnappt hatte, als Mark über die neue Kunstlehrerin gesprochen hatte.
»Bei der bin ich ziemlich ratlos«, hatte er sich beklagt. »Max Whittington hat mich gebeten, ihr eine Chance zu geben. Er hält sie für die beste Kandidatin. Ich denke, er hat ein wenig einen Narren an ihr gefressen, und so sehr es mir auch gegen den Strich geht, ich kann es einfach nicht riskieren, dass er es sich anders überlegt und davon Abstand nimmt, die Renovierung der Unterstufenbibliothek zu sponsern. Aber wenn es nach mir gegangen wäre, wäre sie nicht über unsere Schwelle gekommen. Ich habe Frauen ihres Schlages schon früher gesehen – eine fürchterliche Revoluzzer-Lesbe.«
Kathryn dachte, dass er im letzten Punkt wahrscheinlich ausnahmsweise einmal recht hatte. Aber fürchterlich war Natasha keineswegs.
Natasha fuhr fort: »Schauen Sie nicht so verdutzt drein! Ich mache das einfach so, Kathryn. Ich suche mir Leute heraus, die meine Freunde werden, und dann haben sie mich am Hals, ob sie es wollen oder nicht, ich kann nicht anders. Das habe ich schon immer so gemacht, und die Gründe, wieso ich mir meine Freunde aussuche, sind häufig sehr zweifelhaft. Wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie Ellie Simpson und Hannah Hartley. Ich habe sie in der Grundschule für mich herausgepickt, und die beiden haben mich heute noch am Hals.«
»Warum haben Sie sie ausgewählt?«
»Ellie hat das allerschönste Lächeln, und sie hat ihre Süßigkeiten mit mir geteilt. Ich weiß, dass sie immer alles teilen wird, sie ist die Güte in Person. Hannah hat Grübchen und hat sich ständig ausgeschüttet vor Lachen, das tut sie noch immer.«
»Und warum haben Sie mich ausgesucht?«, fragte Kathryn neugierig.
»Hauptsächlich, weil Sie wie Mia Farrow aussehen, aber Sie sind auffälliger. Außerdem haben Sie etwas Geheimnisvolles und Zurückhaltendes an sich. Allein Ihre Miene bei der Versammlung – ich wusste, dass Sie bei dem ganzen Tamtam dasselbe fühlen wie ich. Sie haben ausgesehen, als wären Sie lieber anderswo.«
Kathryn antwortete nicht, sondern presste die Lippen fest zusammen, damit sie nicht damit herausplatzte, dass ihre neue Freundin absolut recht hatte: Sie wollte immer anderswo sein. Doch sie lachte unwillkürlich.
Mia Farrow? Sie hatte nur Bilder aus den 1960er-Jahren vor Augen, als Mia Farrow elfenhaft und umwerfend gewesen war. Das gefiel ihr sehr gut. Sie verstand es als das Kompliment, als das es gedacht war.
Natasha hatte kaum Luft geschöpft und sprach gleich weiter. »Und, was unterrichten Sie, Kathryn, wie lang sind Sie schon hier? Kürzen Sie den Namen Kathryn eigentlich ab? Er klingt für ein Boho-Chic-Girl wie Sie ein bisschen formell.«
»Kate«, schlug sie vor, während sie herauszufinden versuchte, welche Frage sie zuerst beantworten sollte, was ein Boho-Chic-Girl war und ob es ihr gefiel, eines zu sein, oder nicht. Es war komisch, dass ihr der Umgangsname ihrer Jugend so schnell in den Sinn gekommen war und sie daran erinnerte, was für ein Mensch sie früher einmal gewesen war.
»Okay, Kate, ja, das ist viel besser. Und, was unterrichtest du, Kate?«
Ihre neue Freundin gebrauchte den Namen gleich zweimal, um ihn zu testen und sich mit ihm vertraut zu machen.
Verlegen legte Kathryn die Hand vor den Mund. Ein vertrautes Gefühl erfüllte sie: Sie hatte kein Recht, hier zu sein. Sie war keine Lehrerin, sondern nur Beobachterin.
»Ach, ich unterrichte nicht. Na ja, genau genommen habe ich das Examen abgelegt – Englisch wäre mein Fach. Aber ich habe nie unterrichtet. Das Leben hat gewissermaßen meine Pläne durchkreuzt, Babys und so weiter.« Sie stieß ein kurzes Kichern aus und war entsetzt, wie banal sie klang. »Nein, in Wahrheit bin ich die Frau dieses bombigen Vollidioten Mark Brooker.«
An diesem Punkt hätten die meisten Leute gelacht, geweint oder sich verlegen die Hand über den Mund gelegt, sich entschuldigt und wortreich erklärt,
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