Was habe ich getan?
auch die uneingestandene Angst, die beiden könnten bei einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wein sitzen und über Kathryns Leben diskutieren. Sie könnten ihre Beobachtungen vergleichen und zu einer Schlussfolgerung gelangen, die niemand hören wollte, vor allem Kathryn nicht.
Den Tag, an dem Natasha in ihr Leben trat, würde sie niemals vergessen. Es war zu Beginn des neuen Schuljahrs gewesen, und alle wichtigen Leute hatten sich in der Aula versammelt, um die Ansprache des Direktors und seine bedeutungsvollen Ankündigungen zu hören.
Ein paar Schüler wurden für ihre Leistungen in Musik und im fremdsprachigen Lyrikvortrag ausgezeichnet – dieselben vier Kinder, die immer ausgezeichnet wurden. Kinder, deren vielfältige Talente in der ganzen Schule berühmt waren. Kathryn war jedoch nicht überzeugt davon, dass die Fähigkeit Mandarin zu sprechen, gleichzeitig mit brennenden Fackeln zu jonglieren und in Rekordzeit einen Zauberwürfel richtig hinzudrehen, eine angemessene Kompensation dafür war, dass man keine Freunde hatte.
Mark hatte so lange gesprochen, weil er den Klang seiner eigenen Stimme und die Bühne liebte, auf der er sie einsetzen konnte, dass die Schüler und die meisten Lehrer nach fünfzehn Minuten nicht mehr zuhörten – an das Thema seiner Rede konnte sie sich inzwischen sowieso nicht erinnern.
Während die Lehrerschaft durch die Doppeltüren hinaus in den Schulhof strömte, ging Natasha schnurstracks auf Kathryn zu, die gelangweilt allein dastand und sich nicht sicher war, wie schnell sie sich verdrücken konnte, ohne unhöflich zu wirken. In einer Schule wie dieser spielten solche Dinge eine Rolle. Man musste dabei gesehen werden, wie man das Richtige tat, zur richtigen Zeit und auf die richtige Art und Weise.
Timing war alles.
Kathryn sah die Frau zielstrebig auf sich zukommen und zog ihre Jacke gerade, während sie sich gedanklich darauf vorbereitete, jede Frage zu beantworten, die ihr gestellt werden könnte. Können Sie mir sagen, wo ich den Kunstsaal C finde? Um wie viel Uhr ist die Pause? Wo befindet sich die nächste Lehrertoilette? Doch ihr erstes Zusammentreffen hätte nicht überraschender verlaufen können.
Kathryn sah, wie sowohl Lehrer als auch Schüler Natasha bewundernd nachblickten, während sie sich von ihnen entfernte und sich der Aufmerksamkeit, die sie erregte, gar nicht bewusst war. Ob sie diese nicht bemerkte oder ob sie ihr gleichgültig war, konnte Kathryn heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Sie trug einen langen, fließenden weißen Baumwollrock und flache, klobige Sandalen, die aussahen, als wären sie aus wiederverwerteten Autoreifen hergestellt und dann rosa gefärbt worden. Ob es sich bei ihrem giftgrünen Strickoberteil um eine Jacke oder einen Pullover handelte, war nicht auszumachen. Es war eine Art wollener Überwurf, der auf der Schulter mit einer riesigen weißen Blüte festgehalten wurde. Ihre kurzen braunen Haare waren mit mindestens drei Haarklammern geschmückt, die jeweils mit einem funkelnden Schmetterling verziert waren – jene Art von Accessoire, die man eher mit einem neunjährigen Mädchen in Verbindung bringen würde. Aber das spielte für Natasha keine Rolle, die diese Haarklammern gesehen hatte und sie trug, weil sie ihr gefielen. Sie war apart, außergewöhnlich und frisch, und sie sah wunderschön aus. Es war, als hätte sie das Handbuch Was Lehrer an Schulen wie dieser tragen sollten nicht gelesen oder, falls doch, beschlossen, die Ratschläge einfach zu ignorieren. Sie ließ alles und jedes um sich herum grau und langweilig erscheinen. Kathryn sollte erfahren, dass dies etwas war, was ihr immer gelang, egal in welcher Jahreszeit oder bei welcher Gelegenheit. Sie leuchtete wie ein Licht in der Dunkelheit.
»Hallo, ich bin Natasha Mortensen. Heute ist mein erster Tag hier, Kunst und Design.« Ihre Aussage war zuversichtlich und prägnant.
»Ach! Ich wusste, dass Sie kommen, na ja, nicht Sie direkt, sondern eine neue Lehrerin. Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Natasha. Ich bin Kathryn. Willkommen in Mountbriers.«
Die beiden schüttelten sich kurz die Hand, beide ein wenig verlegen über eine solch maskuline Begrüßung.
»Danke, Kathryn. Ich habe Sie in der Halle gesehen und komme, um Ihnen zu sagen, dass ich Sie zu meiner Freundin auserkoren habe. Sie sehen mir am ehesten wie die Art von Mensch aus, mit dem ich befreundet sein möchte. Nicht wie ein paar von den Alten in der lustigen Truppe. Und was ist mit diesem bombigen
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