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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
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vor und küsste sie lange und fest, drückte sich an sie, während er den Arm auf ihren unteren Rücken legte. Ihre Tränen hatten dazu geführt, dass ihre Atmung ihren natürlichen Rhythmus verloren hatte. Sie hatte keine andere Wahl, als während des Kusses die Luft anzuhalten. Ihr Kopf fühlte sich leicht an, die drohende Ohnmacht benebelte ihr die Sinne. Der Kuss schien endlos zu dauern.
    Endlich ließ er sie los.
    »Ich sag dir was, Liebes. Warum gehst du nicht schnell nach oben und sorgst dafür, dass du gepflegt und hübsch aussiehst? Dann kannst du den Wasserkessel aufstellen, und wir trinken zusammen eine Tasse Tee.«
    Wieder nickte sie, weil sie wusste, dass dieser Vorschlag genau genommen ein Befehl war. Langsam stieg sie die Treppe hinauf und versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken. Als sie an ihrem Frisiertisch saß, wiederholte sie in Gedanken die Worte ihrer Schwester: Du magst ja ein idyllisches kleines Leben führen, aber mir gefällt der Mensch nicht, zu dem du dich entwickelt hast.
    Oh ja, dachte Kathryn. Ich führe ein idyllisches kleines Leben.
    »Ich bin’s nur!«
    Judiths Stimme riss Kathryn aus ihren Gedanken an dieses fürchterliche Telefongespräch vor drei Wochen. Marks Sekretärin kündigte sich stets auf diese Weise an. Sie kam durch die Hintertür in die Küche, was Kathryn ärgerte, aber das war nur einer von fast tausend Punkten, die sie an Judith ärgerten. Genau genommen war das eines ihrer geringeren Vergehen. Das schlimmste Vergehen war, dass Judith von Mark immer als vom »Herrn Direktor« sprach, als wäre er ein Mensch von solcher Ehrwürdigkeit und solchem Status, dass er nur mit solcher Hochachtung angesprochen werden konnte, wie der Papst oder die Madonna. Hätte sie nur gewusst, wie er wirklich war.
    Judith war Ende vierzig, Single und extrem übergewichtig, aber ohne jene Verlegenheit und Unbeholfenheit zu zeigen, die Menschen ihres Umfangs manchmal an den Tag legten. Sie griff nicht auf geschickt gewählte Kleidung zurück, um ihre Figur zu kaschieren, noch entschied sie sich für schwarze, lange oder mehrschichtige Kleider, oh nein. Unbekümmert trug Judith ein ärmelloses Top und dazu khakifarbene Shorts, und sie genoss die Blicke und das zweite Hinschauen sowohl der Schüler als auch der Lehrerschaft. Denn sie deutete diese Blicke fälschlicherweise als Interesse, nicht als Abscheu.
    »Guten Morgen, Kathryn. Was für ein schöner Tag!«
    Kathryn nickte, sagte aber nichts, sondern blickte nur kurz vom Spülbecken auf. Ihr stand der Sinn nicht danach, sich auf diese Frau einzulassen und über Nichtigkeiten zu scherzen. Sie hatte weder Lust noch Energie dazu. Sie wusste, dass das Gespräch umso schneller vorbei sein würde, desto weniger sie sagte.
    »Der Herr Direktor hat mich gebeten, vorbeizuschauen, um Sie daran zu erinnern, dass heute Abend dans la cuisine eine Lehrersitzung stattfindet. Also bitte das Übliche: Dips, einfachen Wein und so weiter, und für Mr Middy natürlich glutenfrei. Wir wollen doch nicht noch einmal einen solchen Vorfall mit der geschwollenen Zunge und den Blähungen riskieren, die letzten Monat beinahe die Firmenkontaktmesse der elften Klasse ruiniert hätte. Wir haben es gerade noch geschafft, die Teppichfliesen im Gemeinschaftsraum der Oberstufe zu ersetzen. Wie auch immer, ich dachte, es wäre am besten, Sie vorzuwarnen. Ist alles okay?«
    »Ja, bestens.«
    Mehr brachte Kathryn nicht heraus. Ihr missfiel die Art und Weise, wie Judith sie behandelte, als gehörte sie zum Gefolge des Herrn Direktor. Das vermittelte ihr den Eindruck, als wäre sie eine Hausangestellte und nicht die Frau des besagten Herrn Direktor. Aber es ärgerte sie nicht mehr. Genau genommen war sie über die Ablenkung fast froh, weil sie wusste, dass es besser war, die Zeit mit etwas – irgendetwas – zu füllen, als Zeit zum Nachdenken zu haben.
    »Der Herr Direktor ist heute Morgen ziemlich guter Stimmung. Er hat von der Lehrerschaft mehrere bewundernde Bemerkungen über sein Blumenaccessoire bekommen. Was immer Sie ihm zum Frühstück serviert haben, geben Sie ihm morgen bitte das Gleiche! Es erleichtert mir das Leben, wenn er nicht sauer und übellaunig ist.«
    Was sollte sie darauf antworten? Judith, das erleichtert uns allen das Leben. Du hast ja keine Ahnung, Judith, wie schlimm es sich auf mein Leben auswirkt, wenn er sauer und übellaunig ist. Lass mich in Ruhe, Judith, du dummes Ding, lass mich einfach in Ruhe. Du hast keine Ahnung, wie mein Leben ist, wie ich

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