Was ich dich traeumen lasse
alles mitkriegt. Sehr wahrscheinlich.«
»Oh, cool.«
Ich drücke das Gespräch weg. Meine Hand möchte das Telefon gegen die Hauswand werfen. Die AuÃenwelt ist eine Welt zu viel. Eine Welt, in der ich mich nicht mehr auskenne, obwohl ich noch vor wenigen Stunden mitten in ihr lebte. Sie ist zu prall, zu durcheinander, viel zu viel von allem.
Ich stecke das Telefon zurück in die Tasche.
Sie könnten anrufen.
Es könnte Neuigkeiten geben.
Er könnte jeden Moment aufwachen.
Ich schlieÃe auf. Ich trete ein. Noch nie war ich allein in diesem Haus. Immer war dieses Haus voller Leben, Musik, Gelächter, Geschwistergezanke, Tellerklappern. Voller Gerüche. Voller Ereignisse. So habe ich es in Erinnerung. Ich weià nicht, wie es in den letzten Monaten war. Vielleicht so still und wartend wie jetzt.
Ich steige die Treppe hinauf. Ich bleibe einen Moment vor seinem Zimmer stehen. Dann trete ich ein. Es ist heiÃ. Die Sonne steht direkt vor dem Fenster und wirft gleiÃendes Licht herein. Staubpartikel schweben darin herum. Ich öffne das Fenster und ziehe die Vorhänge zu. In der Dämmerung stehe ich mitten im Raum und drehe mich ganz langsam um die eigene Achse. Mein Blick gleitet über jeden Gegenstand.
Da ist die Collage aus Hunderten von Fotos, die ich ihm zum halben Jahrestag geschenkt habe. Wir lachen auf jedem Bild. Zu jedem weià ich eine Geschichte. Als wir mit seinem Vater den Baum gefällt, Würste über dem Lagerfeuer gegrillt und unter offenem Himmel geschlafen haben, weil er sich einmal wie ein kanadischer Aussteiger fühlen wollte. Als wir mit seiner Mutter die dreistöckige Torte für die Hochzeit seiner Cousine gebacken haben und sie beim Glasieren in sich zusammengefallen ist. Als wir mit Isabella den Gartensprenger angeworfen haben und wie kleine Kinder durchgesprungen sind, bis die Luft voller Regenbogen war.
Da ist die scheuÃliche Stehlampe mit Küstenmotiv, die er auf dem Trödel gekauft hat, weil er sich so seine italienischen Wurzeln ins Zimmer zaubern wollte.
Da das Kissen in Herzform, in dem unsere Namen stehen, das auch auf meinem Bett liegt, weil er es im Doppelpack bestellt hat.
.Wie scheuÃlich ist das denn?
.Das ist ein Geschenk. Das darfst du doch nicht scheuÃlich nennen!
.Grottenhässlich?
.So was haben Verliebte!
.So was haben geschmacklose Verliebte.
.Du bist so unromantisch!
.Ich bin stilsicher.
.Legst du es dir trotzdem aufs Bett?
.Niemals!
.Bitte!
.Ist dir eigentlich schon mal in den Sinn gekommen, dass wir nicht zusammenpassen?
.Wir passen perfekt. Eine Hälfte ergänzt die andere. Gegensätze ziehen sich an. So ist das in der Liebe.
.Gleich und gleich gesellt sich gern. So kann man es auch sehen.
.Das ist Unsinn. Und jetzt nimm das Kissen und halte es verdammt noch mal in Ehren, Weib.
Ich öffne den Schrank und fahre mit der Hand über die ordentlich aufgehängten Shirts und Hemden. Es sind nur noch wenige. Die meisten hängen in meinem Schrank. Ich lege die Nase an die Achseln der Shirts. Aber sie sind alle frisch gewaschen. Genauso ist es mit der Bettwäsche. Sie riecht nach nichts. Er hat so selten hier geschlafen in letzter Zeit. Der Stoff hat seinen Geruch nicht konservieren können. Meiner ist seit Langem aus diesem Zimmer verflogen. Nur ein Baseballkäppi, das auf dem Regal liegt, verströmt den Duft seiner verschwitzten Haare. Ich ziehe sie an und setze mich an den Schreibtisch. So sind Jungs, sie leben damit, dass auf ihrer Schreibtischunterlage immer noch die alten Sticker aus Kindertagen kleben, abgeschabt, farblos vom vielen Sonnenlicht. Autos, die grinsen und mich mit ihren Glupschaugen ansehen. Monster mit spitzen Zähnen und futuristischen Waffen. Helden in schimmernden Rüstungen.
Ich ziehe die Schubladen auf. In der dritten finde ich sie. Meine Briefe an ihn. Am Anfang haben wir uns dauernd welche geschrieben. Keine E-Mails. Richtige Briefe mit Papier und Stift geschaffen.
.E-Mails sind was für Kumpels. Ich will von dir etwas, das ich in den Händen halten kann, wenn du nicht da bist.
.Wo soll ich denn hingehen?
.Wenn du mal nicht da bist. Auf Weltreise oder so was! Ich will etwas, das ich nicht mit einem unbedachten Mausklick in irgendein Cybernirvana schicken kann.
.Man kann doch alles Gelöschte wieder aus dem Papierkorb rausholen.
.Ich will, dass es knistert, dass kleine Fehler drin sind, weil kein Rechtschreibprogramm
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