Was ich dich traeumen lasse
einmal ein freies Tier in einem riesigen Ozean warst.
.Meinst du das jetzt ernst?
.Ja.
.Manchmal bist du echt dämlich, Elena.
.Ich bin eben ein Kamel. Schon vergessen?
»Es sind Delfinrufe. Aufgenommen unter Wasser im Ozean. Ich habe gelesen, dass es auf Menschen beruhigend wirkt. Entspannend. Ich meine, wenn das so ist, dass dein Gehirn sich ausgeschaltet hat, weil es einfach einen Overkill an Informationen hatte, dann kann Entspannung ja nicht falsch sein. So was ganz Ursprüngliches. Vielleicht ist Menschengequatsche viel zu viel. Und ⦠Ich halt die Klappe jetzt. Hör zu, okay?«
Er muss ja.
Ich schaue ihn an. Schon heute Nachmittag wird er anders aussehen. Der Tubus wird aus seinem Mund verschwunden sein. In seinem Hals wird ein Loch sein.
Ich strecke die Hand aus, berühre mit dem Finger den Adamsapfel. Er hat einen groÃen. Er wippt hoch und runter, wenn er schluckt. Er bekommt leicht Kratzer, wenn er ihn rasiert. Er passt zwischen meine Lippen wie ein Bonbon.
Die Delfine sind nervig. Ich kann sie nicht verstehen. Sie leben in ihrer eigenen Welt. Vielleicht in seiner.
»Ich komme gleich wieder.«
Es ist wieder da, dieses Gefühl, als hätte ich den Atem angehalten. Vor der Tür sauge ich die Luft ein. Ganz schnell. Ganz oft. Ich brauche noch mehr davon. Ich muss raus. Auf den Balkon.
Ich stütze mich auf die Brüstung und atme, bis ich mich beruhigt habe.
Wieder so ein schöner Tag.
Dem Tag ist es egal.
Der Ahorn lässt seine Blätter rascheln.
Ihn kümmert es nicht.
Die Welt dreht sich weiter.
Nur wir stehen still.
Ich ziehe es aus der Hosentasche. Es ist schon ganz zerknittert. Das Papier, auf dem ich sie ausgedruckt habe. Die Top Ten. Ich trage sie seit Tagen mit mir herum. Ich lese sie zum hundertsten Mal.
»Was ist das?«
Ich drehe mich um. Er lehnt an der Wand und zündet sich eine Zigarette an.
»Geht dich nichts an.« Ich stecke die Liste zurück in die Tasche.
»Irgendwas ist mit dir komisch«, sagt er.
»Du projizierst auf mich.«
Er lacht, nimmt einen tiefen Zug und bläst den Rauch demonstrativ in meine Richtung. »Er hätte wirklich selbst atmen sollen, als sie es ausprobiert haben.«
»Er braucht eben noch etwas mehr Zeit. Der Arzt sagt â¦Â«
»Ja ja, schon klar. Das sagen sie immer. Sie halten euch für rohe Eier.«
»Du bist ein Arsch.«
»Kann sein.«
Er lässt Rauchringe aus dem Mund ploppen. Verdammt perfekte Dinger. Ich will nicht, aber ich schaue ihnen nach, wie sie in die Luft steigen, Richtung Ahorn, wie sie sich auflösen, wie sie weg sind.
»Du bist nicht wie die anderen.«
»Welche anderen?«
»Die anderen Angehörigen.« Er kneift die Augen zusammen, als könnte er so noch besser in mich hineinsehen. Er packt sich an die Stirn, als wenn es hinter der viel zu hohen Stirn Geistesblitze gäbe. »Ah, jetzt verstehe ich.«
»Was?«
»Deshalb bist du anders.«
Mir wird übel. In meinem Magen zieht sich etwas zusammen. Mein Blut sackt in die FüÃe. Mein Kopf wird ganz leer.
»Und weshalb, bitte schön?«
Er macht einen Schritt auf mich zu und ich weiche unwillkürlich einen zurück. Mein Rücken drückt gegen die Brüstung. Er schneidet mir den Weg nach vorne ab.
Ich kann nicht weg.
»Du fühlst dich schuldig«, sagt er. »Hast du was damit zu tun, dass er jetzt so daliegt?«
Ducken.
Ãber die Brüstung springen.
Die Faust ausfahren und den Weg frei machen.
Er ist so nah, dass ich seinen rauchigen Atem riechen kann. »Du warst dabei, das weià ich. Aber was hast du gemacht? Na komm schon, kotz dich aus. Mir kannst du es sagen. Ich bin hier der Freak vom Dienst. Ich kann das ab. Trau dich.«
Es kommt aus mir heraus wie eine Eruption. Ich kann es nicht stoppen. Es entlädt sich aus dem Erdinneren. Heià und tödlich. »Ich habe ihm meinen Hintern gezeigt und er ist über die StraÃe gerannt, ohne zu gucken. Zufrieden, Arschloch, geht es dir jetzt besser?«
»Ja. Dir auch?«
Wieso hab ich das nicht vorher gemacht?
Es ist ein Kinderspiel.
Einfach an ihm vorbeigehen.
Er hält mich nicht auf.
Er tritt sogar zur Seite.
In Ricos Zimmer rufen die Delfine, aber ich gehe zum Aufzug.
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Erdgeschoss.
Ausgang.
Wo verdammt noch mal ist der Ausgang?
*Â *Â *
WeiÃt du noch, jener Tag im Spätsommer? Die Sonne gab noch einmal alles. Sie schien,
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