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Was ich dich traeumen lasse

Was ich dich traeumen lasse

Titel: Was ich dich traeumen lasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Moll
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Flur entlang. In den Aufenthaltsraum. Auf den Balkon. Fast pralle ich gegen ihn.
    Â»He, nicht so stürmisch.« Er fängt mich, obwohl ich schon stehe, fasst mich an den Schultern. »Wenn du Sex willst, dann gehen wir in den Wäscheraum, okay?«
    Â»So wird man, wenn man länger hier ist, oder?«
    Â»Wie?«
    Â»So wie du. Sarkastisch. Böse.«
    Â»Irgendwie muss man ja werden.«
    Â»Kann man nicht einfach so bleiben, wie man ist? Man passt sonst zu nichts mehr.«
    Â»Draußen tobt das Leben und hier steht es still. So ist das nun mal.«
    Â»Kann man denn nichts dagegen tun?«
    Â»Trotzdem leben.«
    Â»Und wie?«
    Â»Indem man zum Beispiel einen Baum pflanzt.« Er lächelt.
    Ja, er lächelt. Er grinst nicht, er lächelt. Er hebt die Hand und klopft. Einmal, zweimal, dreimal auf meinen Rücken. Als müsste ich ein Bäuerchen loswerden. Er legt die Hand auf meine Schulter. Lässt sie liegen. Lässt sie über den Arm hinabstreichen. »Wie treffen uns um elf. Pass auf, dass dich niemand sieht.«
    Dann geht er.
    Er geht an ihnen vorbei.
    Sie stehen neben dem Süßigkeitenautomaten und schauen ihm nach.
    Sie schauen mich an.
    Sie schauen mich an, wie etwas, das keinen Sinn ergibt.
    Â»Er ist nur einer der Pfleger«, sage ich.
    Â»Ach so«, sagt Susanne.
    Â»Scheint nett zu sein«, sagt Aron.
    Sie verziehen den Mund. Es soll ein Lächeln sein. Ist es aber nicht.
    * * *
    Weißt du noch, wir schliefen ein. Auf diesem versifften Teil, halb nackt. Obwohl wir uns nicht mal ausstrecken konnten. Kopf und Füße stießen an die Wand, wenn wir es versuchten. Sogar bei mir.
    Es war eine Eule, die mich weckte. Noch nie zuvor hatte ich so ein Geräusch gehört, so nah. Sie stieß ihre Schreie aus und flatterte über das Baumhaus hinweg. Es war stockfinster. Ich konnte sie nicht sehen, als ich hinausschaute.
    Â»Rico!« Ich rief deinen Namen, ertastete deine Schulter, rüttelte an ihr, aber du reagiertest nicht. Ich wusste, wie tief du schlafen kannst. Dass dich keine Bombe wecken kann, wenn du richtig abtauchst. Vor allem nach dem Sex. Aber in dem Moment hatte ich es vergessen. Ich suchte nach deinem Gesicht. Deinem Mund. Ich legte mein Ohr an deine Lippen. Du bist keiner von den Männern, die schnarchen. Du bist ein lautloser Schläfer. Ich wollte deinen Atem spüren. Und erst als der in mein Ohr stieß, warm und feucht, konnte auch ich wieder Atem holen.
    Du weißt das nicht, aber in dieser Nacht dachte ich wirklich für ein paar schreckliche Sekunden, du wärst tot. Ein paar Sekunden waren lang genug, um zu erkennen, wie eine Welt einstürzen kann.
    Ich küsste dich. Und davon wurdest du wach. Wie Dornröschen. »Noch eine Runde?«, fragtest du schlaftrunken und suchtest im Dunkeln meinen Mund. Du warst wirklich alles andere als tot.
    Â»Wir müssen los. Meine Mutter dreht bestimmt am Rad, weil ich nicht Bescheid gesagt habe«, rief ich.
    Und du sagtest: »Dann sims ihr doch.«
    Â»Hier ist kein Empfang, schon vergessen?«
    Â»Ach, sie wird sich denken, dass du bei mir bist. Wie immer.«
    Â»Ich sage ihr aber immer Bescheid, wenn ich über Nacht weg bin.« »Komm, leg dich wieder zu mir. Deine Mutter ist doch locker drauf.«
    Wie unrecht du hattest. Wie wenig du wusstest.
    Â»Nein!« Ich habe deine Hand weggestoßen. Und erst da hast du gemerkt, dass es mir ernst war. »Was sollen wir deiner Meinung nach machen? Es ist stockfinster.«
    Â»Wir gehen trotzdem.«
    Ich schaltete das Handy ein. Das fahle Licht auf meinem Gesicht zeigte dir, dass ich wild entschlossen war. Wir mussten unsere Sachen finden. Unsere Hosen. Unsere Schuhe. Mit beiden Handys leuchteten wir uns den Weg die Stufen herunter. Und weiter durch den finsteren Wald. Die Bäume streckten ihre Arme nach uns aus. Der Boden legte sich in Falten. Du nahmst meine Hand. Wir taumelten zusammen.
    Â»Wie heißt noch mal dieser Film, wo die durch den Wald irren und alles in Wackelkamera aufgenommen wird?«, fragtest du.
    Â»Blairwitch Project.«
    Â»So ist das hier.«
    Ich weiß nicht, wieso ich das fragte. Vielleicht, weil ich das erste Mal spürte, dass auch du dich vor etwas fürchten konntest. Ich fragte: »Hast du Angst vor dem Tod?«
    Und du sagtest: »Ich hab Angst, dass mich ein Wildschwein bei lebendigem Leib auffrisst.« Du ließt das Licht des Handys über mein Gesicht

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