Was ich dich traeumen lasse
Vielleicht kann er bald etwas sagen. Und dann steht er auf. Und am Ende kommt er zu uns nach Hause. Ich meine, stell dir das doch mal vor! Er wird den Ball fangen, den sein Sohn ihm zuwirft. Mit seinen Händen. Ist es nicht ein Wunder?«
»Ja.«
Sie umarmt mich. Ihr ganzer Körper ist heiÃ. Und feucht. Sie drückt ihre Wange an meine. »Dein Freund wird das auch schaffen, ganz sicher.«
»Sicher.«
Sie lässt los. Strahlt über das ganze neue Gesicht. Dreht mir den Rücken zu. Er ist gerade. Und verschwindet im Nachbarzimmer zu ihrem Wunder.
»So durchgeknallt wirst du auch sein, wenn er die Augen aufmacht.« Er steht plötzlich hinter mir.
»So werd ich ganz bestimmt nicht sein.«
»Doch, eine manische Irre, die schon einen Urlaub in die Karibik bucht, obwohl er gerade erst ins Nichts geschielt hat.
»Ich hab jetzt keine Zeit für dein Geätze.«
»Was gibt es so Wichtiges?«
»Ich muss mich erinnern.«
»An was?«
»An einen Ort. Ich muss etwas finden.«
»Etwas?«
»Ein Baumhaus.«
»Gehtâs genauer?«
»Eben nicht.«
Er legt den Kopf schief. »Ah, Punkt vier auf der Liste.«
»Allerdings. Wenn ich es gefunden habe, baue ich es aus. Ich erweitere es, sodass er ausgestreckt drin liegen kann.«
»Siehste. Manisch. Du fängst schon an, bevor er die Augen aufgemacht hat. Sorg schön für Strom, damit das Bett nicht stillsteht. Und schaff Platz für das Beatmungsgerät.«
»Ich hör dich gar nicht.«
»Und wie willst du das anstellen?«
»Was?«
»Das Bauen.«
»Ein paar Bretter. Nägel. Säge. Hammer. Kann ja nicht so schwer sein.«
»Die Statik muss stimmen.«
»Quatsch!«
»Glaub einem erfahrenen Baumhausbauer.« Er grinst und streckt die Brust heraus. Er weiÃ, was ich als Nächstes sagen werde.
Ich sage es: »Dann hilf mir halt.«
»Und wie heiÃt das Zauberwort?«
»Arschloch?«
»Richtig! Ich hab um vier Schluss. Warte auf mich vor dem Haupteingang.«
Ich sehe es sofort. Am Fenster, über dem Bett. So angebracht, dass er direkt hineinschauen muss, wenn er die Augen öffnet. Ich gehe am Bett vorbei zum Fenster, öffne es, schaue hinunter. Ein Spiegel an der Hauswand. Einer am Ahorn.
»Ich habe dir einen Baum gepflanzt. Einen Apfelbaum. Du kannst ihn sehen. Mit Spiegeln.«
Ich gehe zum Bett, lehne mich über ihn, verharre zwischen seinem Kopf und dem Spiegel, lege den Kopf in den Nacken. Da ist er. Klein und irgendwie zerrupft. Er sieht anders aus bei Tageslicht. Müde. Ich muss daran denken, ihn zu gieÃen.
»Jetzt hast du einen eigenen Baum. Wie du es wolltest. Aber das heiÃt nichts. Nicht dass du denkst ⦠Wir können noch einen pflanzen, wenn du wach wirst. Dann gilt dieser hier nicht.«
Ich setze mich auf den Stuhl.
»Dein Nachbar ist wach geworden.«
Ich beuge mich über sein Gesicht, streiche über die Augenbrauen. Ãber die Lider. Die Nase kommt mir spitzer vor, als stünde sie mehr aus ihm heraus. Vielleicht weil kein Atem mehr durch sie hindurchströmt. Die Wangen spannen über die Knochen. Und dann ist da der Mund. Es ist noch sein Mund. Genau hier vor mir.
»Wir tauschen die Rollen. Ich bin der Königssohn. Du bist Dornröschen. Alles klar?«
Seine Lippen sind schon geöffnet. Also öffne ich auch meine.
.Ist doch komisch.
.Was?
.Na, dass da so ein Feuerwerk abgeht, wenn ich deine Lippen berühre. Wenn ich meine Schwester küsse, also, ich meine, deren Mund berühre ich ja auch, aber da tut sich nichts in mir.
.Wär ja auch noch schöner, wenn du einen Ständer bekommen würdest, wenn du deine Schwester küsst.
.Das meine ich nicht.
.Was dann?
.Ich meine nicht, was in meiner Hose passiert. Sondern was in meinen Lippen passiert, wenn ich dich küsse.
.Was denn?
.Es ist, als wenn sie sich ausdehnen, ganz weit und warm werden. Sie brutzeln, kribbeln, werfen Wellen. Und diese Wellen gehen dann durch meinen ganzen Körper.
.Bis in den Ständer.
.Mensch, jetzt lass doch mal den Ständer. Hast du das denn nicht, wenn du mich küsst?
.Doch.
.Genauso?
.Noch besser. Bei mir ist es, als würden meine Lippen einen Orgasmus bekommen. Aber keinen, wie man den sonst hat. Einen voll von Zärtlichkeit.
.Wow. So was Schönes hast du noch nie gesagt.
.Für die schönen Worte bist ja auch in der Regel du
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