Was ich dich traeumen lasse
wird alles wieder gut«, sagt sie. »Ich hab dafür gesorgt.«
»Wovon redest du, Mama?«
»Er hat sich gebessert. Er hat mir gesagt, dass er in Therapie geht. Ja, wirklich. Er lässt sich behandeln. Die Therapeutin hat gesagt, es liegt an seiner Kindheit. Er kann nichts dafür.«
Das kann nicht sein.
»Mama! Wen meinst du?« Ich fasse sie an den Schultern und schüttele.
»Deinen Vater!« Sie lacht. »Es tut ihm alles schrecklich leid. Ich soll dir sagen â¦Â«
»Du hast ihn angerufen?« Meine Stimme überschlägt sich. »Bist du vollkommen irre? Hast du den Verstand verloren?«
»Er liebt uns.«
»Hast du alles vergessen?«
»Man muss auch verzeihen können.«
»Wir haben geschworen, dass er niemals unsere neue Adresse erfährt. Du hast es geschworen!«
Sie singt wieder.
Es klingelt.
Es klopft.
Irgendjemand steht vor der Wohnungstür. Kann das?
Ist das etwa schon?
»Elena?«
Verdammte ScheiÃe! Was will der denn hier?
Ich schaue durch den Spion. Er ist es wirklich. Ich lehne mich gegen die Tür, halte den Atem an, halte alles an.
Geh wieder!
»Hallo?«
Geh!
»Hallo?«
Sie steht plötzlich neben mir. »Ist er das?« Sie sieht aus, als würde ihr Gesicht von unsichtbaren Fäden hochgezogen. Sie strahlt. »Mach auf, verdammt noch mal. Er ist da. Er ist tatsächlich gekommen!«
»Das ist er nicht!«
»Hallo? Machen Sie auf? Elena? Frau Linz?«
»Wer ist das?« Die Fäden reiÃen, alles fällt zu Boden.
Ich schiebe sie weg. Ich stoÃe sie. Sie taumelt drei Schritte zurück. Ich reiÃe die Tür auf. Dornsted weicht zurück. Ich schiebe auch ihn, zur Treppe, scheuche ihn hinunter.
»Wenn Sie mit mir sprechen wollen, dann kommen Sie mit raus.«
Er schaut zur Wohnungstür. Sie schreit.
»Was ist da �«
»Nichts! Kommen Sie jetzt? Sonst bin ich weg.«
Er kommt. Steigt hinter mir die Treppe herunter, steht neben mir auf dem Bürgersteig.
»Was wollen Sie?«
»Sie kommen nicht in den Unterricht und zur Psychologin gehen Sie auch nicht.«
»Stimmt.«
»Sie wissen, was das bedeutet.«
»Weià ich.«
Er sieht aus wie immer, nur eins ist anders. In seinen Augen ist etwas, was ich noch nie zuvor bei ihm gesehen habe. Vielleicht ist es neu. Vielleicht habe ich nur nie drauf geachtet.
»Das muss Sie doch gar nicht kümmern!«
»Muss es nicht. Tut es aber. Sie sind eine gute Schülerin, Elena. Sie haben Potenzial, richtig gute Chancen, etwas aus Ihrem Leben zu machen. Werfen Sie das jetzt nicht weg. Ich weiÃ, dass Sie im Moment eine schwere Zeit durchmachen. Nein, lassen Sie es mich anders formulieren. Sie gehen durch die ScheiÃe. Richtig so?«
»Korrekt.«
»Aber wenn Sie jetzt nicht die Zähne zusammenbeiÃen, dann stehen Sie nachher mit leeren Händen da. Und dann fallen Sie in ein Loch. Sie brauchen etwas, an dem Sie sich festhalten können.«
»Ich brauche Rico.«
»Und was, wenn er Sie nicht mehr halten kann. Nie mehr?«
»Sie können mich mal.«
»Elena, ich bitte Sie. Kommen Sie zur Schule.«
Jetzt erkenne ich es. Das in seinen Augen. Es ist ein Gefühl. Ja, wirklich, in Dornsteds Augen flammt ein Gefühl.
»Wieso machen Sie das?«
»Sie sind meine Schülerin.«
»Wir sind Ihnen doch sonst scheià egal.«
»Das stimmt nicht.«
Ich lache. Keine Ahnung, wieso. Es ist einfach alles so zum Lachen.
»Sie sind eine arme Wurst, wissen Sie das? Lassen Sie mich in Ruhe, kapiert. Lassen Sie mich einfach in Ruhe.«
Ich renne. Die StraÃe entlang.
Weg von ihm.
Weg von ihr.
Ich renne.
Nach Hause.
Tag 15
Es ist tatsächlich ein Kuckuck. Er klingt wie das Geräusch, das Kinder machen, wenn sie ihn auf einem Bild sehen. Er weckt mich früh.
Als ich die Augen aufschlage, merke ich, dass mir kalt ist. Eine feine feuchte Schicht Tau hat sich auf meine Kleider und auf meine Haut gelegt. Ich rühre mich nicht. Spüre dem Schmerz nach, den eine Nacht auf blankem Holz in meinen Körper gezeichnet hat. Spüre dem Traum nach, der von Sekunde zu Sekunde mehr verblasst.
Was für eine Sause. Eine Sause à la Rico.
Die tausend Lichter.
Der schmierige Elvis.
Der Typ mit dem Backenbart und einem Teil, das aussah wie ein Priestergewand für Schwule.
Die Ringe in einem Körbchen. Glitzernde Elfen in Pink.
Zwei
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