Was ich dich traeumen lasse
SchoÃ.
»Setz dich.« Der Kopf bietet mir mit einer Nickbewegung einen Stuhl an.
Ich setze mich.
»Wie heiÃt du?«
»Elena.«
»Linda. Dein Freund ist hier auf Station, oder?« Die Sätze quetschen sich aus ihrem Mund, als wollten sie lieber drinbleiben. Alle Muskeln, die sich im Gesicht bewegen, geben ihr Letztes, um Buchstabe für Buchstabe herauszubringen.
Ich nicke.
»Wach?«
»Noch nicht.«
»Ich war sieben Monate weg. Wachkoma. Jetzt bin ich seit drei Monaten wieder da. Nächste Woche gehtâs in die Reha. Guck nicht so schockiert.«
»Tu ich nicht.«
Doch.
»Was hast du gedacht, wie schnell so was geht?«
»Ich hab gar nichts gedacht.«
Doch.
»Sorry, aber ich bin ein scheiÃgeniales Wunder. So viel wie ich können die wenigsten.«
Sie kann nichts. Nur Worte quetschen.
»Ich muss los.«
Jetzt sind es ihre Augen, die mich dirigieren. Sie zwingen mich auf den Stuhl zurück. Sie hat noch etwas zu sagen, ob ich es nun hören will oder nicht.
»Es ist scheiÃe«, sagt sie. »Besser, ich wäre nie wach geworden.«
»Was?«
»Das, was ich jetzt bin, das ist scheiÃe. Besser für deinen Freund, wenn er nicht aufwacht.«
Sie kann mir nicht nachlaufen.
Ich kann einfach das Zimmer verlassen.
Ich kann alles.
Mit groÃen Schritten erreiche ich seine Tür.
Ich atme ein, ich atme aus.
Dann trete ich ein.
Der Spiegel ist weg. Jemand hat ihn abmontiert. Die Physiotherapeutin muss schon da gewesen sein, er liegt auf der Seite, gestützt von einem riesigen Kissen. Als ich mich auf den Stuhl setze, schaue ich in sein Gesicht.
»Es ist alles so kompliziert, seit du hier bist«, flüstere ich. Vielleicht ist sein Magnet zu Schaden gekommen. Seine Superheldenqualitäten sind auf Stand-by. Magneticman ist auÃer Gefecht gesetzt. Es geht mir nicht mehr besser, sobald ich in seiner Nähe bin.
»Hallo.« Susanne breitet die Arme aus.
Ich lasse mich drücken.
Ihre Mutter steht in der Küchentür. »Komm mal her«, sagt sie. Auch sie drückt mich. »Wie geht es dir?«
»Ich bin müde.«
Sie nickt: »Du bist wirklich ein tapferes Mädchen.«
Sie will noch mehr sagen, aber Susanne zieht die Augenbrauen zusammen. Das ist ein Zeichen. Ich soll nicht aufgeregt werden.
Susanne geht voraus in ihr Zimmer. Auf dem Tischchen stehen Muffins, verziert mit rosa Herzchen. Tee auf einem Stövchen. Eine Kerze leuchtet. Ich soll mich wohlfühlen.
»Setz dich.«
Ich setze mich.
»Warst du heute bei ihm?«
»Klar.«
»Ja, blöde Frage. Du gehst ja jeden Tag. Oder?«
»Ja. Wieso fragst du so?«
Sie schiebt mir die Muffins hin. »Nimm doch.«
»Keinen Hunger.«
»Du solltest aber.« Ihr Blick schweift über meinen Körper. »Size Zero muss echt nicht sein.«
Ich nehme einen. BeiÃe hinein. Er schmeckt süÃ. Sie nickt zufrieden und gieÃt Tee ein.
»Wer ist er?«
»Wer ist wer?«
»Der Typ.«
Ich lege den Muffin zurück, stehe auf.
»Jetzt setz dich wieder!«
»Was soll das hier werden? Stehe ich vor Gericht?«
»Ich will nur wissen, was los ist. Du erzählst mir ja nichts mehr.«
»Und deswegen darfst du dir selbst Märchen über mich ausdenken?«
»Ist es ein Märchen?«
Ich stehe noch immer. Es sind nur drei Schritte bis zur Tür.
»Ich weiÃ, dass du sauer bist wegen mir und Aron. Aber das ist etwas völlig anderes.«
»Das?«
»Dass du mit diesem Typen â¦Â«
»â¦Â rummachst, während Rico im Koma liegt?«
Sie zuckt mit den Schultern.
Ich verstehe.
»Wenn Rico wach wird, ist er sicher sehr dankbar, dass du mich in meine Schranken gewiesen hast während seiner Abwesenheit. Du bist eben eine echt tolle Freundin«, sage ich. Meine Stimme ist ätzend wie Säure.
Sie streckt den Arm aus, aber er erreicht mich nicht. Ich bin schon aus der Tür.
»Elena. Jetzt warte doch mal. Sag mir doch einfach, was ist, dann muss ich mir nichts zusammenreimen.«
Ich bin schon auf der Treppe.
»Ich kenn dich gar nicht wieder! Du hast dich total verändert!«
Ich bin schon weg.
*Â *Â *
WeiÃt du noch, du hattest immer einen Witz parat. Warte, mir fällt gleich einer ein. Einer von den richtig dämlichen, über die wir trotzdem lachen mussten. Ich, Susanne, Aron, und du selber, auch wenn du ihn schon
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