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Was ich dir noch sagen will

Was ich dir noch sagen will

Titel: Was ich dir noch sagen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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unterwegs gewesen. Die bunte Truppe wollte den Junggesellinnenabschied ihrer gemeinsamen Kommilitonin Annika feiern. Insgesamt waren sie acht Frauen, die nach einer feucht-fröhlichen Radtour durchs «Alte Land» schließlich in einem Ausflugslokal einkehrten, wo sie weitere Flaschen Prosecco zum Anstoßen orderten. Während der Tour waren an jeder Ecke Kirschen zu kaufen gewesen, was Lisa dazu animiert hatte, eine ganze Tüte davon zu nehmen. Nun saß sie mit Jutta auf dem Geländer der sonnigen Dachterrasse des Lokals und genoss den beeindruckenden Ausblick über die Elbe und bis weit ins Land hinaus. Genüsslich futterten sie ihre Kirschen und spuckten die Kerne in einem möglichst hohen Bogen den Abhang hinunter. Plötzlich hörten sie ein empörtes «Ey!». Lisa sah erschrocken nach unten – und blickte einem attraktiven Mann direkt in die Augen. Erik hatte gerade sein Mountainbike abgestellt, um eine kleine Pause zu machen, und sich über den ungewöhnlichen Hagelschauer gewundert.
    «’tschuldigung!», riefen Lisa und Jutta im Chor hinunter und kicherten albern, woraufhin Erik breit grinste.
    «Ich komm da gleich hoch!», drohte er scherzhaft.
    «Mach doch», forderte Jutta ihn auf, weil sie ahnte, dass dieser sportliche Mann absolut in Lisas Beuteschema passte.
    Und tatsächlich ließ Erik sich nicht lange bitten. Er kam die Treppe hochgespurtet, stellte sich höflich vor und amüsierte sich prächtig über die offensichtlich beschwipsten Kirschkernweitspuckerinnen.
    Jutta gab irgendwann vor, dringend auf die Toilette zu müssen, sodass Lisa und Erik allein blieben und gerade noch genug Zeit hatten, ihre Telefonnummern auszutauschen, bevor Lisa wieder zu den anderen hineingerufen wurde.
    Besonders angetan war Lisa von Eriks souveräner und ungezwungener Art gewesen, die ihn auf den ersten Blick so anziehend machte. Er schnappte sich einfach ihr Handy, tippte seine Nummer ein und klingelte einmal durch, damit auch er ihre Nummer im Display haben würde.
    Keine Woche später trafen sie sich auch schon in dem italienischen Restaurant mit sardischen Spezialitäten. Und als Erik sie weitere zwei Wochen und unzählige SMS und Telefonate später das erste Mal zu Hause besuchte, landeten sie auch schon in der Kiste – ohne es jemals bereut zu haben.
    Bei dem Gedanken an die Anfänge ihrer Beziehung musste Lisa schmunzeln. Sie wickelte das kleine Kleidungsstück in Seidenpapier ein und legte es behutsam in eine schöne, taubengraue Schachtel, die sie extra vorher besorgt hatte.
    Fertig, dachte sie und hielt kurz inne. Auf einmal war sie sehr gerührt von ihrem eigenen Geschenk – und gerührt von der Tatsache, dass das Schicksal sie zu so einem wundervollen Mann geführt hatte. Es überkam sie eine Welle der Demut und Dankbarkeit, weil sie schon so viel Schönes zusammen erlebt hatten und weil sie so etwas wie eine zweite Chance bekommen hatten, wirklich das Beste aus ihrem Leben zu machen.
    Auch wenn sie sich in ihrer Sentimentalität ziemlich albern vorkam, dachte Lisa in diesem Moment, dass es in der Liebe wohl kaum etwas Schöneres gab, als ein Kind zu zeugen und es gemeinsam aufwachsen zu sehen.
    Vielleicht sind es aber auch nur die Hormone, die mich so gefühlsduselig machen, grübelte Lisa weiter.
    Aber sie konnte nicht anders, als einfach nur dazusitzen und diese kleine Schachtel anzusehen, die so voller Gefühle und Erwartungen steckte.
    Sie seufzte. Wieso nur fühlte sich das alles so überwältigend an, wo es doch eigentlich um die natürlichste Sache überhaupt ging? Oder war es eine beunruhigende Mischung aus Liebe und Angst? Aus Glück und Schmerz? War es vielleicht auch der Abschied von ihrer eigenen Kindheit, der die Freude auf den neuen großen Lebensabschnitt als Mutter ein wenig mit Melancholie trübte?
    Vielleicht war es aber auch einfach bloß ihre Art, die Dinge anzugehen, dachte Lisa. Da hatte ihr Bruder wohl leider recht. Sie machte sich stets um alles und jeden so viele Gedanken. Dabei war doch eigentlich alles perfekt! Sie hatte eine tolle Familie und wunderbare Freunde. Sie hatte sich den Traum von der Selbständigkeit erfüllt und tatsächlich einen Job gefunden, den sie wirklich liebte. Und sie liebte Erik und ihr gemeinsames Leben. Im Grunde war ihre Beziehung von Beginn an fast schon zu schön gewesen, um wahr zu sein. Sicher, sie hatten auch ihre Streitereien, und Lisa verfluchte in regelmäßigen Abständen die Art, mit der Erik seinen Drang nach Freiheit kompromisslos auslebte.

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