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Was ich dir schon immer sagen wollte

Was ich dir schon immer sagen wollte

Titel: Was ich dir schon immer sagen wollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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an. Er lag auf dem Rücken, blinzelte und versuchte gleichzeitig, mich gebieterisch anzublicken.
    »Du hast sie nicht abgestellt.«
    »Na gut, dann eben nicht.«
    »Also doch.«
    »Ich konnte die verdammten Kosten nicht mehr ertragen. Ich konnte nicht ertragen, daran zu denken. Ich konnte auch das Geräusch nicht mehr ertragen. Ich habe seit einer Woche nicht mehr geschlafen.«
    »Der Keller wird volllaufen.«
    »Ich stelle sie morgen früh wieder an. Ich will nur ein paar Stunden Ruhe haben.«
    »Das ist zu spät. Es regnet in Strömen.«
    »Ist nicht wahr.«
    »Geh doch ans Fenster.«
    »Es regnet. Aber nicht in Strömen.«
    Ich machte das Licht aus, legte mich wieder hin und sagte mit ruhiger, strenger Stimme: »Hör mir zu, Hugo, du musst gehen und sie anstellen, Dotty wird sonst weggeschwemmt.«
    »Morgen früh.«
    »Du musst gehen und sie jetzt anstellen.«
    »Mach ich aber nicht.«
    »Wenn du’s nicht tust, tu ich’s.«
    »Nein, tust du nicht.«
    »Doch.«
    Aber ich regte mich nicht.
    »Mach nicht solche Panik.«
    »Hugo!«
    »Heul nicht!«
    »Ihre Möbel werden ruiniert.«
    »Das Beste, was denen passieren kann. Jedenfalls geh ich nicht.« Er lag neben mir, steif und auf der Hut, wartete wahrscheinlich darauf, dass ich aufstand, in den Keller hinunterging und herausfand, wie man die Pumpe anstellte. Was hätte er dann getan? Schlagen hätte er mich nicht können, denn ich war hochschwanger. Außerdem schlug er mich nie, es sei denn, ich schlug ihn zuerst. Er hätte sie wieder abstellen können, dann hätte ich sie wieder angestellt und so weiter, wie lange konnte das so gehen? Er hätte mich festhalten können, aber wenn ich mich gewehrt hätte, hätte er Angst gehabt, mir weh zu tun. Er hätte mich wüst beschimpfen und das Haus verlassen können, aber wir hatten kein Auto, und es regnete zu dicht, als dass er lange hätte draußen bleiben können. Er hätte wahrscheinlich einfach abwechselnd getobt und geschmollt, und ich hätte mir eine Decke nehmen und für den Rest der Nacht auf der Wohnzimmercouch schlafen können. Ich glaube, das ist das, was eine Frau von festem Charakter getan hätte. Ich glaube, das ist das, was eine Frau getan hätte, die wollte, dass ihre Ehe hielt. Aber ich tat es nicht. Stattdessen sagte ich mir, dass ich nicht wusste, wie die Pumpe funktionierte, wo man sie anstellte. Ich sagte mir, dass ich vor Hugo Angst hatte. Ich erwog die Möglichkeit, dass Hugo recht haben könnte, nichts würde passieren. Aber ich wollte, dass etwas passierte, ich wollte, dass Hugo sich den Hals brach.
    Als ich wach wurde, war Hugo fort, und die Pumpe stampfte wie immer. Dotty hämmerte an die Tür, die zum Keller hinunterführte.
    »Du wirst deinen Augen nicht trauen, was da unten ist. Ich stehe bis zu den Knien im Wasser. Ich habe die Füße aus dem Bett gestreckt und bin bis zu den Knien im Wasser. Was ist passiert? Hast du die Pumpe aussetzen hören?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Ich weiß nicht, was mit ihr los war, vielleicht ist sie heißgelaufen. Ich hatte ein paar Biere vorm Zubettgehen, sonst hätte ich gemerkt, dass was nicht stimmt. Ich habe eigentlich einen leichten Schlaf. Aber ich habe geschlafen wie eine Tote, und ich habe die Füße aus dem Bett gestreckt und mein Gott, bloß gut, dass ich nicht im selben Moment den Lichtschalter angefasst habe, sonst hätte ich einen tödlichen Stromschlag gekriegt. Alles schwimmt.«
    Nichts schwamm, und das Wasser hätte keinem Erwachsenen bis zu den Knien gereicht. Es war an manchen Stellen zehn Zentimeter tief, an anderen nur fünf oder sechs, da der Fußboden so uneben war. Es hatte die unteren Teile des Sofas und der Sessel durchweicht, war in die Kommoden und Schränke eingedrungen und ins Klavier gelaufen. Die Bodenfliesen hatten sich gelockert, die Teppiche waren vollgesogen, die Kanten der Tagesdecke tropften, das Heizgerät auf dem Fußboden war schrottreif.
    Ich zog mich an, stieg in ein Paar von Hugos Stiefeln und nahm einen Besen mit hinunter. Ich fing an, das Wasser zu dem Abfluss draußen vor der Tür zu fegen. Dotty machte sich in meiner Küche eine Tasse Kaffee, saß eine Weile lang auf der obersten Stufe der Kellertreppe und sah mir zu, hielt dabei denselben Monolog wie vorher, dass sie ein paar Biere getrunken und fester als sonst geschlafen hatte, nicht gehört hatte, dass die Pumpe aussetzte, nicht verstand, warum sie ausgesetzt hatte, falls sie ausgesetzt hatte, nicht wusste, wie sie das ihrer Mutter erklären sollte, die bestimmt

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