Was ich dir schon immer sagen wollte
Flur des städtischen Gebäudes in Nord-Vancouver, in dem die Eheberatung erteilt wurde, lachten wir, bis uns die Tränen kamen. Das ist also unser Problem, sagten wir zueinander, was für eine Erleichterung, das zu wissen, Unvereinbarkeit.
Ich las Hugos Geschichte an jenem Abend nicht. Ich überließ sie Clea, und die, wie sich herausstellte, las sie auch nicht. Ich las sie am nächsten Nachmittag. Ich kam gegen zwei Uhr von der privaten Mädchenschule nach Hause, wo ich einen Teilzeitjob habe und Geschichtsunterricht gebe. Ich machte mir wie meistens einen Tee und setzte mich in die Küche, um die Stunde zu genießen, bevor die Jungs, Gabriels Söhne, aus der Schule nach Hause kamen. Ich sah das Buch immer noch auf dem Kühlschrank liegen, holte es mir und las Hugos Geschichte.
Die Geschichte handelt von Dotty. Natürlich ist sie in unwichtigen Details verändert worden, und das sie betreffende Hauptereignis wurde erfunden oder aus einer anderen Wirklichkeit aufgepfropft. Aber die Lampe ist da und auch der Morgenrock aus rosa Chenille. Und etwas von Dotty, das ich vergessen hatte: Wenn ich mit ihr redete, hörte sie mit leicht geöffnetem Mund zu, nickte, und dann sprach sie das letzte Wort meines Satzes mit. So eilig hatte sie es, zuzustimmen, so sehr hoffte sie, zu verstehen. Hugo hat sich daran erinnert, und wann redete Hugo je mit Dotty?
Aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass diese Geschichte von Hugo, soweit ich es beurteilen kann, eine sehr gute Geschichte ist, und ich glaube, ich kann es beurteilen. Wie ehrlich und wie schön, musste ich sagen, während ich las. Ich musste es zugeben. Ich war von Hugos Geschichte gerührt; ich war und bin froh darüber, und ich lasse mich nicht von Tricks rühren. Oder wenn doch, dann müssen es gute Tricks sein. Schöne Tricks, ehrliche Tricks. Da ist Dotty, aus dem Leben herausgehoben und ins Licht gehalten, schwebend in dem wunderbaren, klaren Gelee, dessen Zubereitung Hugo sein ganzes Leben lang erlernt hat. Es ist ein Akt der Magie, daran kommt man nicht vorbei; es ist ein Akt, könnte man sagen, einer besonderen, schonungslosen, unsentimentalen Liebe. Ein edles und glückliches Wohlwollen. Dotty konnte sich glücklich schätzen, würden vielleicht Personen sagen, die diesen Akt verstehen und schätzen (natürlich versteht und schätzt nicht jeder diesen Akt); sie hatte das Glück, ein paar Monate lang in jenem Keller zu wohnen, so dass schließlich dies mit ihr gemacht wurde, obwohl sie nicht weiß, was gemacht worden ist, und wahrscheinlich nichts darauf gäbe, wenn sie es wüsste. Sie ist in die Kunst eingegangen. Das passiert nicht jedem.
Sei nicht beleidigt. Ironische Einwände sind eine Spezialität von mir. Halb schäme ich mich dafür. Ich achte das, was gemacht worden ist. Ich achte das Vorhaben und die Mühe und das Ergebnis. Nimm meinen Dank dafür an.
Ich dachte wirklich, ich würde Hugo einen Brief schreiben. Die ganze Zeit über, während ich das Abendessen zubereitete und es aß und mich mit Gabriel und den Kindern unterhielt, dachte ich an einen Brief. Ich dachte, ich würde ihm schreiben, wie seltsam es für mich war, festzustellen, dass wir immer noch eine Reihe von Erinnerungen teilten, und dass Dinge, die für mich nur Schnipsel und Überbleibsel, nutzloser Ballast waren, für ihn reif und benutzbar waren, eine Investition, die sich auszahlte. Auch wollte ich mich dafür entschuldigen, nicht an ihn als Schriftsteller geglaubt zu haben. Oder besser, es einräumen; das schuldete ich ihm. Ein paar wohlformulierte, dankbare Sätze.
Gleichzeitig, beim Abendessen, während ich meinen Ehemann Gabriel betrachtete, kam ich zu der Ansicht, dass er und Hugo sich in Wirklichkeit gar nicht so unähnlich sind. Beide haben etwas zuwege gebracht. Beide haben entschieden, was zu tun ist bei allem, was ihnen in dieser Welt begegnet, welche Haltung einzunehmen ist, wie Dinge zu übergehen oder zu benutzen sind. Auf ihre begrenzte und enge Art besitzen beide Autorität. Sie sind nicht hilflos ausgeliefert. Oder sie glauben, sie seien es nicht. Ich kann ihnen nicht übelnehmen, dass sie sich so arrangieren, wie sie es können.
Nachdem die Jungen zu Bett gegangen waren und Gabriel und Clea sich vor dem Fernseher niedergelassen hatten, fand ich einen Stift und legte das Papier vor mich hin, um meinen Brief zu schreiben, und meine Hand krampfte. Ich schrieb kurze, bissige Sätze, die ich überhaupt nicht geplant hatte.
Das genügt nicht, Hugo. Du denkst, das
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