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Was ich dir schon immer sagen wollte

Was ich dir schon immer sagen wollte

Titel: Was ich dir schon immer sagen wollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Schrotflinte in die Luft, und dann hörten die Diebstähle auf.
    Keiner von denen, die am Boot arbeiteten, gab sich damit ab, Saft zu stehlen, obwohl alle es im letzten Jahr getan hatten.
    Das Holz für die Reparatur des Bootes wurde hier und da aufgesammelt, entlang der Wege zwischen den Hinterhöfen. Zu dieser Jahreszeit lag vieles herum – alte Bretter und Äste, durchweichte Wollhandschuhe, Löffel, die mit dem Spülwasser ausgeschüttet worden waren, Deckel von Puddingschüsseln, die zum Abkühlen in den Schnee gestellt worden waren, all der Krempel, der verloren gehen und den Winter überstehen kann. Die Werkzeuge kamen aus Claytons Keller – sie stammten wahrscheinlich aus der Zeit, als sein Vater noch lebte –, und obwohl sie niemanden hatten, der sie beriet, schienen die Jungen mehr oder weniger dahinterzusteigen, wie Boote gebaut oder repariert werden. Frank war derjenige, der mit schematischen Darstellungen in Büchern und Exemplaren der Zeitschrift Popular Mechanics ankam. Clayton betrachtete diese Abbildungen, ließ sich von Frank die Anweisungen dazu vorlesen und beschloss dann, auf seine eigene Art vorzugehen. Bud konnte am besten sägen. Eva und Carol beobachteten alles vom Zaun aus, übten Kritik und dachten sich Namen aus. Die Namen für das Boot, die ihnen einfielen, waren: Seerose, Seepferdchen, Flutkönigin und Caro-Eve, nach ihnen, weil sie es gefunden hatten. Die Jungen sagten nicht, welcher dieser Namen, falls überhaupt einer, ihnen gefiel.
    Das Boot musste geteert werden. Clayton machte einen Topf mit Teer auf dem Küchenherd heiß, kam damit heraus, setzte sich rittlings auf das umgedrehte Boot und strich es langsam in seiner gründlichen Art an. Die anderen Jungen sägten ein Brett für einen neuen Sitz zurecht. Während Clayton arbeitete, kühlte der Teer ab und verdickte sich, so dass er den Pinsel nicht mehr bewegen konnte. Er wandte sich an Eva, hielt ihr den Topf hin und sagte: »Du kannst mal reingehen und den auf dem Herd heiß machen.«
    Eva nahm den Topf und ging die hinteren Stufen hoch. Die Küche kam ihr stockfinster vor nach dem Licht draußen, aber sie musste hell genug sein, um etwas zu sehen, denn Claytons Mutter stand am Bügelbrett und bügelte. Sie tat das, um den Lebensunterhalt zu verdienen, nahm Wäsche zum Waschen und Bügeln an.
    »Darf ich den Topf auf den Herd stellen?«, fragte Eva, die dazu erzogen worden war, zu Eltern höflich zu sein, sogar, wenn es Waschfrauen waren, und der aus irgendeinem Grunde viel daran lag, auf Claytons Mutter einen guten Eindruck zu machen.
    »Dann musst du das Feuer schüren«, sagte Claytons Mutter, als bezweifelte sie, dass Eva wusste, wie man das macht. Aber Eva konnte jetzt etwas sehen, sie hob die Herdplatte mit dem Heber, nahm den Feuerhaken und schürte die Glut zu Flammen. Sie rührte den Teer um, als er weich wurde. Sie fühlte sich bevorzugt. In diesem Augenblick und noch danach. Vor dem Einschlafen kam ihr ein Bild von Clayton in den Sinn; sie sah ihn rittlings auf dem Boot sitzen und den Teer verstreichen, konzentriert und sorgfältig, ganz davon in Anspruch genommen. Sie dachte daran, wie er sie angesprochen hatte aus seiner Abgeschiedenheit, in einem so normalen, friedlichen, selbstverständlichen Tonfall.

    Am vierundzwanzigsten Mai, einem schulfreien Tag mitten in der Woche, wurde das Boot aus der Stadt hinausgetragen, was jetzt ein weiter Weg war, von der Straße hinunter über die Wiesen und Zäune, die ausgebessert worden waren, bis dahin, wo der Fluss in seinen normalen Ufern strömte. Eva und Carol, ebenso wie die Jungen, wechselten sich beim Tragen ab. Es wurde an einer von Kühen platt getrampelten Stelle zwischen frisch ergrünten Weidenbüschen zu Wasser gelassen. Die Jungen kletterten als Erste hinein. Sie johlten triumphierend, als das Boot tatsächlich schwamm, als es erstaunlicherweise auf der Strömung dahinglitt. Das Boot war außen schwarz und innen grün angestrichen, mit gelben Sitzen und außen einem gelben Streifen ringsherum. Es stand nun doch kein Name darauf. Die Jungen konnten sich nicht vorstellen, dass es einen Namen brauchte, um sich von allen anderen Booten auf der Welt zu unterscheiden.
    Eva und Carol rannten am Ufer entlang, beladen mit Taschen voll mit Sandwiches mit Erdnussbutter und Marmelade, sauren Gurken, Bananen, Schokoladenkuchen, Kartoffelchips, Grahamkeksen mit Maissirup dazwischen und fünf Flaschen Limo, die im Flusswasser gekühlt werden sollten. Die Flaschen schlugen

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