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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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Treppenabsatz auf sein Gesicht fiel.
    Das Haus war noch immer von einer dumpfen Hitze erfüllt. Die Holzdielen ächzten, als ich darübertappte, und jede Stufe knarrte in einem anderen Ton, wie ein schlecht gestimmtes Musikinstrument. Meine nackten Füße verursachten ein weiches, schmatzendes Geräusch auf dem Boden.
    »Wer ist da?« Simons Stimme ließ mich erschrocken innehalten. Ich hatte nicht geahnt, dass er noch in der Küche war. Jetzt war es zu spät, um umzukehren.
    »Ich bin es  –  Katy«, krächzte ich. Die Angst und Anspannung
in seiner Stimme waren noch nervenzermürbender als der Schock über die unerwartete Begegnung. Er saß am Küchentisch, noch immer an derselben Stelle. Aus blutunterlaufenen Augen starrte er mich an, als hätte er jemand anderen erwartet.
    »Ich habe Durst«, sagte ich.
    »Das kommt vom Alkohol«, erwiderte er.
    Ich machte mir nicht die Mühe, ihn daran zu erinnern, dass ich nicht mitgetrunken hatte. »Der sollte einen doch eigentlich müde machen.«
    »Mich nicht«, sagte er finster. »Ich kriege davon nur Kopfweh und wirre Gedanken.«
    »Danny schläft«, bemerkte ich  –  nicht, um das Thema zu diskutieren, eher deshalb, um irgendetwas zu sagen.
    »Der Glückliche«, sagte Simon. Dann verschränkte er die Arme auf dem Tisch, legte den Kopf darauf und begann zu weinen. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich hatte noch nie zuvor einen Mann weinen sehen. Ich schenkte mir ein Glas Wasser ein, während ich überlegte, ob es nicht das Beste wäre, einfach darüber hinwegzugehen. Nachdem ich das Glas mit einem Zug geleert hatte, füllte ich es erneut. Simons Schultern bebten weiterhin. Seine Schluchzer waren leise, aber hörbar.
    »Kann ich irgendwas für dich tun, Si?«, fragte ich nervös.
    Er hob den Kopf und rieb mit dem bloßen Unterarm über sein Gesicht. Einen Moment rang er um Fassung, ehe er sagte: »Glaubst du wirklich, was wir getan haben, war falsch?«
    Ich war sprachlos. Erstens hatte ich keine direkte Frage erwartet, und zweites verwirrte mich der anklagende Unterton in seiner Stimme. Eine lange Pause trat ein. Als
mir klar wurde, dass Simon nicht gedachte, sie zu füllen, sagte ich: »Natürlich war es falsch  –  aber Trudie war tot, als wir sie gefunden haben. Daran könnte nichts etwas ändern …«
    »Angeblich waren wir ihre Freunde«, sagte Simon. »Und trotzdem haben wir es nicht verhindert.« Sein Gesicht war ebenso bleich wie früher am Tag, als ich ihm sagte, die Polizei sei hier. Er muss sehr betrunken sein, dachte ich.
    »Wir hätten es nicht verhindern können«, sagte ich in meinem besten Kinderberuhigungston. »Es war ein Unfall. Es war nicht unsere Schuld.« In Gedanken hörte ich, wie ich seinen Namen rief und in der Ferne seine Antwort ertönte  –  dann Schritte, die den Weg zurückrannten. Sei nicht so eine verdammte Idiotin, mahnte ich mich. Simon meinte das wahrscheinlich im Sinne von Ursache und Wirkung  –  dass Trudie, hätten wir besser darauf geachtet zusammenzubleiben, ihre Taschenlampe nicht fallen lassen und sich dadurch nicht in dem Drahtgewirr verfangen hätte  –  oder vielleicht ging er noch weiter zurück und dachte, dass wir gar nicht erst in den Wald hätten gehen dürfen. Eine unerwartete Wut auf Trudie loderte in mir auf. Es war nicht unsere Schuld, dachte ich. Es war ganz allein ihre Schuld. Sie hätte nicht einfach vorausgehen dürfen. Dies alles wäre nicht passiert, wenn wir im Haus geblieben wären. Es war einzig Trudies Schuld, weil sie ständig darauf gedrängt hatte, in dunkler Nacht zum Bettis Wood zu gehen. Trudie und ihr verdammter Blödsinn über die ermordete Agnes. Und wir restlichen drei mussten jetzt mit den Schuldgefühlen und der Unsicherheit klarkommen  –  und den schrecklichen Bildern, die nie wieder verschwinden würden. »Es ist
nicht unsere Schuld«, wiederholte ich fest. »Wir waren in einer schwierigen Situation und mussten eine Entscheidung treffen.« Sicher, ich mochte mit der Entscheidung, die wir getroffen haben, vielleicht nicht einverstanden gewesen sein; aber jetzt ließ sich daran nichts mehr ändern.
    »Eine Entscheidung.« In einem seltsam ironischen Ton wiederholte er meine Worte. »Stimmt  –  wir haben unsere Entscheidung getroffen.«
    »Du solltest ins Bett gehen, Simon«, sagte ich. »Versuch, ein paar Stunden zu schlafen.«
    Er stieß ein hohles Lachen aus. »Ich glaube nicht, dass ich jemals wieder schlafen werde. Nicht jetzt … nicht

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