Was im Dunkeln liegt
verschwundenen Dinge haben keine Beine bekommen und sind allein weggelaufen. Meinst du nicht, wir sollten Simon mal darauf ansprechen?«
»Trudie sagt, es sei der Geist der ermordeten Agnes, der auf sich aufmerksam machen will«, erwiderte Danny grinsend.
Ich schnaubte. »Ermordete Agnes, so ein Quatsch. Es hat erst angefangen, seit Trudie bei uns wohnt. Ich finde, wir sollten Simon fragen, ob sie allein losgezogen ist, als sie gestern zusammen in Leominster waren. Es gibt einen Riesenärger, wenn sein Onkel zurückkommt und feststellt, dass ein Haufen Zeug fehlt.«
Danny blieb geradezu nervtötend ungerührt und tat,
als würde er schnarchen. Doch ich ließ mich nicht abwimmeln. »Morgen werde ich es Simon sagen«, brummte ich.
»Ihm was sagen?«
»Was ich glaube.«
»Man könnte fast meinen, du magst Trudie nicht«, sagte er.
»Natürlich mag ich sie«, rief ich. »Darum geht es gar nicht.« Oder ging es vielleicht genau darum? Ich sann darüber nach, als ich in dem dunklen Zimmer lag und auf die Stelle starrte, wo sich die Vorhänge als fahler Fleck an der Wand abzeichneten. Seit ihrer Ankunft hatte Trudie mit Danny gescherzt und geflirtet, und ich hatte so tun müssen, als wäre es mir egal. Während ich nichts gegen jemanden einzuwenden hätte, der uns Simon vom Hals halten würde, war ich wahrscheinlich nicht allzu begeistert von der Vorstellung einer ungebundenen Trudie, die frei herumschwirrte. Ich sagte mir, dass das natürlich Unsinn sei – trotz ihrer diversen Macken war es mir einfach unmöglich, Trudie nicht zu mögen. Sie war warmherzig und freundlich und wirklich sehr umgänglich. Sie leistete mehr als nur ihren Anteil am Kochen und Abspülen und machte begeistert bei allen Freizeitaktivitäten mit. Sie war einfach einer jener Menschen, die anderen ganz selbstverständlich den Arm um die Schultern legten oder durch die Haare zausten – es war wirklich nichts dabei –, und abgesehen davon reagierte Danny niemals auch nur annähernd darauf. Ich war nicht eifersüchtig auf sie, falls Danny das gemeint haben sollte.
Obwohl die Aushebung des Teiches weit oben auf unserer Prioritätenliste stand, genossen wir es nach wie vor, morgens lange im Bett liegen zu bleiben. Als ich am nächsten
Tag aufstand, war es schon fast elf Uhr, und im Haus rührte sich noch nichts. Das Erste, was ich beim Betreten der Küche sah, war der Briefbeschwerer aus der Bibliothek. Wie eine Reihe anderer Gegenstände kam er auf dem Küchentisch wieder zum Vorschein und nicht an der Stelle, wo er verschwunden war. Ich wusste, dass Trudie ihn dorthin gelegt haben musste, aber dennoch war mir die Sache unheimlich. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass der Briefbeschwerer wohlbehalten wieder zurück war. Hoffentlich würde alles andere zu gegebener Zeit auch wieder zurückkehren – dann gäbe es später keine Probleme wegen fehlender Wertgegenstände. Die Tatsache, dass ich am Abend zuvor gedroht hatte, Simon meinen Verdacht mitzuteilen, ließ mich nun vor Scham erröten.
Obwohl wir vermutlich alle insgeheim davon überzeugt waren, dass Trudie hinter dem Verschwinden der Gegenstände steckte, ließen wir uns mehr als nur halbherzig auf ihr Gerede über rastlose Gespenster und Poltergeister ein. Es war irgendwie witzig, und eine direkte Konfrontation hätte nur für Unfrieden gesorgt. Die Gegenstände waren größtenteils unbedeutend und tauchten meist wieder auf; und abgesehen davon gab es keinen eindeutigen Beweis für Trudies Verwicklung in die Sache. Zur Rede gestellt, würde sie vermutlich argumentieren, dass jeder von uns gleichermaßen dafür infrage käme, und auf dem Thema herumzureiten hätte mehr oder minder bedeutet, sie als Lügnerin hinzustellen. Also hielten wir den Mund – was wiederum zu einer Art diffuser Akzeptanz von Agnes Paynes unsichtbarer Gegenwart führte.
Wir gingen alle sehr unbeschwert damit um – selbst
Trudie, die vorgab, feinere Antennen für diese Dinge zu haben als wir. Es wurde zu einer Art Insiderwitz – wenn irgendetwas nicht auffindbar war (ein nicht seltenes Ereignis in einem so unorganisierten Haushalt wie dem unseren), neigte irgendeiner von uns den Kopf und murmelte wissend: »Schon wieder Agnes …« Doch obwohl Agnes dazu diente, die Unannehmlichkeiten, die auf unsere allgemeine Schlampigkeit zurückzuführen waren, zu entschärfen, gab es keinen praktischen immateriellen Sündenbock für die verschiedenen anderen Probleme, die mit
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