Was im Dunkeln liegt
weiten Hosen. Hilly war schon immer, wie Marjorie es nennen würde, »etwas künstlerisch angehaucht« gewesen. Sie geht gern ins Theater, spielt Klavier, und vor Kurzem hat sie mit der Malerei begonnen, worin sie sich als recht begabt erweist – wenngleich sie viel zu bescheiden ist, um damit zu prahlen.
Ich weiß, sie vermisst Trevor entsetzlich, glaubt, sie seien Seelenverwandte gewesen. In der Tat war er fast zu gut, um wahr zu sein. Die Art von Mann, über den niemand jemals ein böses Wort verlieren würde. Ich habe ihn bei einer Vorlesung kennengelernt – es ging, soweit ich mich entsinne, über das Unterrichten von Mathematik. Wir verstanden uns auf Anhieb prächtig, und irgendwie endete es damit, dass ich ihm meine Mitbewohnerin vorstellte – Hilly. Mein Fehler.
Hilly war zu diesem Zeitpunkt noch sehr zurückgezogen. Sie hatte wieder an Selbstvertrauen gewonnen, hatte aber in der ganzen Zeit, in der ich sie kannte, nie einen Freund gehabt, weshalb mich die rasante Entwicklung dieser Trevor-Geschichte ziemlich überraschte. Ich fuhr über das Wochenende weg, um die goldene Hochzeit meiner Großeltern zu feiern, und bei meiner Rückkehr entdeckte ich, dass Trevor die Nacht mit Hilly verbracht
hatte. Kurz darauf stand bereits der Termin für die kirchliche Trauung fest, und Hilly trug einen Verlobungsring. Abgesehen von den beiden war ich die Einzige, die von Hillys Schwangerschaft wusste. Wir waren damals so eng befreundet, Hilly und ich. Wir waren aufeinander angewiesen.
Als Sophie und Bethany älter wurden, rechneten sie eins und eins zusammen und machten sich einen Spaß daraus, ihre Eltern mit dieser »Mussheirat« aufzuziehen – sie wussten, sie befanden sich auf sicherem Terrain, weil jeder sehen konnte, was für ein verliebtes Paar ihre Eltern waren. Hilly sagte immer, das Baby habe keinen Unterschied gemacht. Sie wären so oder so zusammengeblieben, seien füreinander bestimmt gewesen. Ich erlaubte mir nie eine andere Meinung. Wozu auch? Ich wollte meine beste Freundin nicht verlieren.
Als wir unsere Flasche Wein so gut wie geleert haben, sagt Hilly: »Erzähl doch mal über diese Sache mit Dannys Mutter. Hast du herausgefunden, warum sie dich so dringend sehen möchte?«
Ich habe bereits erwähnt, dass ich einen Brief von Mrs Ivanisovic erhalten habe, und bin deshalb vorbereitet. »Ich vermute, die arme alte Frau hat nicht mehr lange zu leben. Wahrscheinlich braucht sie jemanden, mit dem sie in Erinnerungen schwelgen kann – jemand, der Danny kannte. Ich glaube, die meisten ihrer näheren Verwandten sind schon gestorben. Und diejenigen, die noch übrig sind, werden sich vermutlich nicht an ihn erinnern.«
»Es muss schrecklich sein, die eigenen Kinder zu überleben«, sagt Hilly.
»Es wäre in der Tat gerechter, wenn wir alle in der richtigen
Reihenfolge sterben würden«, entgegne ich halb lachend.
Hilly nickt. »Sieh dir meine Muter an. Ich weiß, es ist furchtbar, das zu sagen, aber manchmal denke ich, es wäre besser, sie würde sterben. Dennoch scheint sie entschlossen zu sein, ewig zu leben.«
»Wie auch immer, ich habe ja noch diesen zweiten Brief erhalten, in dem sie mich um einen Besuch bittet, also habe ich ihr zugesagt, sie morgen zu besuchen.«
Hilly wirkt überrascht und besorgt. »Das ist sehr anständig von dir, Kate. Ist ihr eigentlich klar, wie weit das für dich ist?«
»Das nehme ich an. Aber ich konnte dieser armen alten Frau die Bitte einfach nicht abschlagen.«
»Du bist wirklich sehr großherzig«, sagt Hilly. Und sie meint das auch so. Hilly hält mich für einen guten Menschen und würde niemals etwas Gegenteiliges behaupten. Im Grunde ist Hilly geneigt, von allen Menschen nur das Beste zu denken. Sie ist selbst so eine Seele von Mensch, dass es ihr schwerfällt, von anderen Menschen etwas Schlechtes anzunehmen. Böswillig verübte Taten bereiten ihr nicht nur Kummer, sondern verwirren sie auch zutiefst. Es ist ihr unvorstellbar, wie jemand einem anderen Menschen absichtlich Schaden zufügen kann. Selbst ein halbes Jahrhundert an Lebenserfahrung hat nicht dazu beigetragen, diesen unschuldigen Glauben in die menschliche Natur ins Wanken zu bringen – das ist Teil ihres Charmes.
Kein Wunder also, dass es gefährlich war, sie mit Trevor bekannt zu machen. Sie waren sich in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. Er wurde einer dieser seltenen, nahezu heiligen Rektoren, geliebt sogar von den schlimmen Kindern.
Schüler aus dreißig Jahren
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