Was im Dunkeln liegt
Mc-Tell in der Birmingham Town Hall gesehen hatten; Danny unterstrich seine Äußerungen mit gelegentlichen Gitarrenakkorden. Alles wirkte so friedlich und ruhig wie immer, bis auf die Tatsache, dass Danny ständig auf die Uhr blickte. Gegen halb zwölf ging uns langsam der Gesprächsstoff aus. Die Luft war extrem drückend geworden, aber weil die Sterne noch klar zu sehen waren, nahm ich an, dass es kein Gewitter geben würde. Danny hatte in immer kürzeren Abständen auf die Uhr geblickt, bis ich ihn bat, endlich damit aufzuhören, weil es mich nervös mache.
»Warum gehen wir nicht einfach hoch und bringen die Sache hinter uns?«, schlug er mit gespielt gleichgültigem Ton vor. »Dann können wir endlich ins Bett gehen. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin total müde.«
»Klar, warum nicht?«, stimmte Simon zu. »Deine Geister
werden ja wohl kaum die Uhr kennen, Trudie – oder glaubst du, sie halten sich an die britische Sommerzeit?«
Trudie reagierte nicht auf die Ironie in der Bemerkung. »Okay«, sagte sie. »Wenn alle bereit sind, dann lasst uns nach oben gehen.«
Als wir aufstanden, fegte eine Brise wie ein heißer Atemzug über den Garten. Plötzlich wollte ich überhaupt nicht mehr ins Haus gehen. Finster ragte es vor uns auf, eine düstere, unförmige Masse voller Geflüster und Geheimnisse – und als wir hineingingen und Simon die Küchenlampe anschaltete, blendete uns das helle Licht. Einen Moment standen wir reglos da, blinzelnd und unsicher wie auf frischer Tat ertappte Einbrecher.
Trudie ging vor uns die Treppe hinauf. Sie hatte offensichtlich ihr Selbstvertrauen wiedererlangt und übernahm ganz selbstverständlich die Leitung des Projekts. Simon stieß mit dem Fuß gegen die Ecke einer Holzkommode, die auf dem oberen Absatz stand: Der dumpfe Schlag hallte durch das Treppenhaus.
»Verdammt, Mann«, sagte Danny. »Du weckst ja die Toten auf. Nicht nötig, unser Kommen im Voraus anzukündigen.«
Seine Bemerkung war eindeutig witzig gemeint, aber in Trudies Antwort schwang keinerlei Ironie. »Es ist schon in Ordnung. Sie weiß bereits, dass wir kommen. Sie freut sich. Genau das hat sie sich gewünscht.«
Wir waren inzwischen daran gewöhnt, auf diese Art über die ermordete Agnes zu sprechen, dennoch jagte mir Trudies Bemerkung einen Schauer über den Rücken; sie beschwor in mir ein Bild der ermordeten Agnes herauf, wie sie in aller Ruhe in dem Zimmer auf uns wartete. Als Trudie die Tür öffnete, war ich beinahe überrascht, es genauso
vorzufinden, wie wir es verlassen hatten. Die Luft war vom Duft der Räucherstäbchen angefüllt, und die Kerzen brannten noch, was mir sehr merkwürdig vorkam. Sie hätten schon längst heruntergebrannt sein müssen. Dann fiel mir ein, dass sich Trudie im Laufe des Abends mehrmals davongestohlen hatte – vermutlich, um die abgebrannten Kerzen zu ersetzen.
Den Anweisungen folgend, die Trudie uns früher am Abend gegeben hatte, setzten wir uns im Schneidersitz im Kreis auf den Boden und fassten uns an den Händen. In bester Dinnerparty-Manier platzierten wir uns automatisch in der Junge-Mädchen-Junge-Mädchen-Reihenfolge und bewahrten Schweigen, was laut Trudie unbedingt erforderlich war. »Sobald der Kreis geschlossen ist, darf er nicht mehr gebrochen werden«, hatte sie uns gewarnt. Also hatte ich eine genaue Vorgabe – nicht sprechen und Händchen halten –, was mir im Moment sehr entgegenkam.
Sobald jeder von uns eine bequeme Position gefunden hatte, senkte sich eine tiefe Stille über das Zimmer. Die Kerzenflammen waren durch unsere Bewegungen ins Flackern geraten, doch nun brannten sie wieder ruhig und gleichmäßig. Von meinem Platz aus konnte ich an der Stelle, wo Tür und Dielenbretter nicht ganz abschlossen, einen Lichtstreifen sehen. Ich hatte mit Ouija-Brett und Séancen bereits in der Schule herumexperimentiert, wie Teenager es damals taten und vermutlich nach wie vor tun; doch diese Sitzungen waren immer von viel Gekicher begleitet gewesen, oder ein Teilnehmer war der Versuchung erlegen, seltsame Geräusche von sich zu geben, worauf die anderen ihn tadelten, weil er die Sache nicht ernst genug nahm. Insgeheim hatte ich damit gerechnet,
Danny oder Simon würden diese Rolle übernehmen, aber das geschah nicht. Die Stille verdichtete sich, bis schließlich Trudies Stimme ertönte – leise und melodiös: »Du kannst kommen. Wir sind bereit.«
Wieder trat Schweigen ein. Ich bemerkte Dannys Kreuz, das
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