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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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blenden sie das Licht aus, reduzieren es zu einem fahlen Schimmer gegen die dunkle Backsteinmauer; und nach wenigen Minuten wird dieser Schimmer noch gedämpfter. Sie müssen die Deckenlampe ausgeschaltet haben, vermutlich sitzen sie im Bett und lesen im Schein der Nachttischlampen oder trinken heißen Kakao. Ich weiß nicht, warum ich mir eher Nachttischlampen statt Wandleuchten vorstelle.
    Ein neu auftauchender Wagen lässt mich hochschrecken. Ich habe sein Näherkommen nicht bemerkt und ducke mich, während die Scheinwerfer kurz über mich
hinweggleiten, tief in den Sitz. Der Wagen gerät außer Sicht, überlässt mich wieder meiner einsamen Nachtwache.
    Als das Fenster dunkel wird, lasse ich den Motor an und fahre weg.

11
    Jeder von uns näherte sich der bevorstehenden Séance auf seine Weise, behielt etwaige Zweifel an der ganzen Sache aber für sich. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel, wollte nicht als Angsthase gelten. Es war nicht so, dass ich Angst vor dem Übernatürlichen gehabt hätte  –  woran ich nicht wirklich glaubte –, ich hatte eher Angst davor, vor Nervosität so angespannt zu sein, dass ich bei jeder Kleinigkeit aufspringen oder kreischen würde und dadurch den Spott der anderen auf mich zöge, wenn sich alles als ein großer Scherz herausstellte. Simon wirkte so wie immer. Er erzählte uns eine lange, verworrene Geschichte, die darin mündete, dass sich ein Kommilitone von ihm aus Versehen aus seinem Zimmer ausgesperrt und splitterfasernackt auf einer Brüstung vor seinem Fenster ausgeharrt hatte. Simons übertrieben schleppende Sprechweise erheiterte uns zwar, aber irgendwie spürte ich, dass ihm heute Abend niemand seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Trudie schien vor nervöser Erregung zu vibrieren, als wäre sie im Besitz eines Geheimnisses, das sie unbedingt mit uns teilen wollte, aber nicht durfte. Sie plant zweifellos eine virtuose Performance, dachte ich. Doch ich glaube, von uns vieren war Danny derjenige, der am meisten betroffen war. Ich denke nicht, dass die anderen
es merkten, aber ich nahm eine künstliche Fröhlichkeit in seiner Stimme wahr und beobachtete, wie seine Finger mehrmals zu seinem Hals wanderten und nach dem fehlenden Talisman tasteten.
    Sobald die Sonne hinter den Sträuchern verschwand, verkündete Trudie, ihr sei kalt, und ging ins Haus, um etwas Wärmeres anzuziehen. Ich ging ebenfalls hinein, weil ich auf die Toilette gehen wollte. Als ich den Treppenabsatz erreichte, kam Trudie gerade aus ihrem Zimmer. Als sie mich entdeckte, winkte sie aufgeregt und sagte: »Komm, sieh dir das an.«
    Ich begleitete sie in ihr Zimmer, bahnte mir einen Weg durch die überall auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke. Trudies Fenster ging nach Westen hinaus und war hoch genug, um über die Sträucher und den Hügel hinweg bis zum Bettis Wood hinüberzublicken. Der oberste Rand der Sonne verschwand gerade hinter den Baumwipfeln, die in diesem sterbenden Licht gespenstisch glühten.
    »Sieh nur«, flüsterte sie. »Rot wie Blut. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Es ist ein Zeichen.«
    »Das ist nur der Sonnenuntergang. Eine optische Täuschung.«
    Trudie schüttelte den Kopf. »Es ist ein Zeichen«, sagte sie mit Nachdruck. Irgendetwas in ihrer Stimme störte mich. Mit leisem Unbehagen wurde mir bewusst, dass Trudie nicht mehr die Zirkusdirektorin war, die für uns eine Show veranstaltete. Sie glaubte wirklich an dieses Zeug und ängstigte sich. Sie hatte sich nicht mehr unter Kontrolle.
    Das rote Licht auf den Baumwipfeln verblasste  –  die Veränderung fand binnen Sekunden statt, dann war die Sonne verschwunden, und der Wald stand wie immer
grünlich schwarz in der Dämmerung. Der Moment war vorbei. Dannys Gitarrenspiel drang von der Wiese zu uns empor. Er spielte Moonshadow .
    »Was meinst du, bedeutet der Text?«, fragte Trudie. Sie wirkte, wie ich erleichtert feststellte, wieder ganz normal.
    »Keine Ahnung  –  ich finde ihn ziemlich rätselhaft.«
    »Ich glaube, der Mondschatten ist das Schicksal«, sagte sie. »Jeder wird von seinem eigenen Mondschatten verfolgt, und am Ende holt er einen immer ein. Man muss einfach annehmen, was immer einem widerfährt.«
    Ich sparte mir eine Antwort. Ich hatte zu viele Mittagspausen in der Schule damit verbracht, lyrische Texte auseinanderzunehmen, um die ihnen innewohnende Bedeutung zu ergründen.
    Als wir in den Garten zurückkehrten, unterhielten sich Danny und Simon gerade über die Zeit, als sie Ralph

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