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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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Kraftreserven aufgebraucht, und sie wartet, bis sie wieder genügend Luft bekommt. »Stan hatte vergessen, dass das Bild in der Kamera war. Es ist erst nach Dannys Tod entwickelt worden.«
    Ein Klopfen an der Tür kündet die Krankenschwester an, die ein Tablett in den Händen trägt. Zwei Tassen Tee, Zuckerpäckchen, ein Teller mit sorgfältig drapiertem Gebäck.
    Wir bedanken uns beide, als sie das Tablett abstellt. Ich nehme meinen Tee, eher um die Form zu wahren, als aus echtem Verlangen. Als ich Mrs Ivanisovic anbiete, ihr ihre Tasse zu reichen, schüttelt sie den Kopf.
    Während ich meinen Tee trinke, macht sich abermals Stille breit. Diese Gesprächspausen werden allmählich unangenehm. Ich bin nicht durch das halbe Land gefahren, um Tee zu trinken und aus dem Fenster zu schauen. Dennoch dehne ich den Tee so lange wie möglich aus, während ich in Gedanken über den Inhalt ihres ersten Briefes sinniere. Früher oder später muss einer von uns darauf zu sprechen kommen  –  den Ball ins Rollen bringen  –, oder soll ich einfach nur meinen Tee trinken, dann auf die Uhr blicken und sagen, war nett, Sie wiederzusehen, aber jetzt muss ich gehen?

    Ich trinke den Tee aus und stelle die Tasse auf das Tablett zurück. Erneut biete ich Mrs Ivanisovic ihren Tee an, und diesmal nimmt sie ihn. Ihre Hände zittern. Als sie die Tasse von der Untertasse hebt, gerät der Tee gefährlich ins Schwappen: eine schwierige, wacklige Angelegenheit. Es gelingt ihr, einige Schlückchen ohne Zwischenfall zu trinken, ehe sie mir mit einer Geste bedeutet, ihr die Tasse wieder abzunehmen. Erst als ich Tasse und Untertasse neben meine gestellt habe, ergreift sie wieder das Wort.
    »Gehen Sie doch bitte mal zur obersten Schublade. Sehen Sie? Ja, da. Holen Sie bitte das Buch heraus und bringen es mir.«
    Das Buch ist der oberste Gegenstand in der Schublade: eines jener teuren, stoffbezogenen Bücher, scharlachrot mit goldener Verzierung. Die Sorte von Buch, die manche Frauen als Tagebuch benutzen oder um ihre Lieblingsgedichte hineinzuschreiben. Sie dankt mir, als ich es ihr in die Hände lege, und schlägt es behutsam auf. Vorne liegen einige lose Blätter, doch sie ignoriert sie und blättert ein paar Seiten weiter, bis hin zu der Stelle, wo eine zusammengefaltete Seite aus einer Zeitung zwischen zwei Buchseiten gepresst ist. Sie holt sie heraus und reicht sie mir. »Lesen Sie«, sagt sie.
    Die Seite ist zweimal gefaltet; die Knicke sind durch jahrelange Lagerung in das Papier geprägt. Es ist ein Artikel über die gerichtliche Untersuchung von Dannys Tod. Ich brauche den Artikel nicht zu lesen, weil ich dabei war. Also blicke ich auf, direkt in ihre Augen, die meinen Blick festhalten.
    »Das war nicht die ganze Wahrheit, nicht wahr, Katy?«
    Worte steigen in meiner Kehle auf, verklingen aber,
noch ehe sie ausgesprochen werden können, lösen sich auf, als sie mit Luft in Berührung kommen, wie die sterblichen Überreste in einer antiken Grabstätte.
    »Da gibt es noch etwas, stimmt’s? Ich habe immer gewusst, dass noch mehr dahinter ist.« Mein Schweigen scheint ihre Überzeugung zu nähren. »Stan hat mich überredet, bei der gerichtlichen Untersuchung nichts zu sagen. Ich musste ihm sogar versprechen, nicht mit Ihnen darüber zu reden. Er meinte, Sie hätten so sehr gelitten, genauso wie wir, und dass nichts uns Danny zurückbringen könnte …«
    Den Zeitungsartikel in der Hand, sitze ich weiterhin stumm da, während sie die Worte im Raum stehen lässt.
    »Ich muss die ganze Wahrheit erfahren, Katy.« Als sie wieder spricht, hat ihre Stimme ein verblüffendes Maß an Stärke und Dringlichkeit gewonnen. »Verstehen Sie, ich weiß , dass es da noch etwas gibt  –  etwas, das Danny mir erzählen wollte, bevor er starb.«
    Die Tür öffnet sich, und die Schwester kommt wieder herein. Sollte sie angeklopft haben, um ihr Erscheinen anzukündigen, so müssen wir es beide überhört haben. Sie ist eine grobschlächtige Person; ihre marineblaue Tracht spannt über ihrem riesigen Hinterteil, und ihr stumpfsinniges Gemüt ist nur vom unmittelbaren Zweck ihres Kommens erfüllt, völlig unsensibel für die Stimmung im Raum.
    »So, Betty«, sagt sie, und ihre klirrende Heiterkeit, immun gegen jegliche atmosphärische Schwingung, schneidet wie ein Messer durch die spannungsgeladene Stille. »Ich muss Ihre Besucherin jetzt leider bitten, ein paar Minuten draußen zu warten.« An mich gewandt, fügt sie hinzu: »Es wird nicht länger als

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