Was im Dunkeln liegt
totenbleich gewesen, brannten seine Wangen nun wie verräterische Alarmsirenen. »Nein«, sagte er. Wenigstens seine Stimme war entschieden selbstbewusst, als er hinzufügte: »Ich kann mir das absolut nicht erklären.«
»Und Sie sagen, Sie haben ihn schon vorher vermisst? Ihn womöglich im Gemeinschaftsraum der Studenten liegen lassen?«
»Ich bin mir nicht wirklich sicher«, erwiderte Simon. »Soweit ich mich entsinne, habe ich ihn dort zum letzten Mal benutzt, aber – nein, ich weiß es nicht. Es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern. Zu dem Zeitpunkt spielte es einfach keine Rolle. Sein Fehlen wäre mir nicht aufgefallen, es sei denn, ich hätte ihn gesucht, weil – nun ja, weil ich ihn für irgendetwas gebraucht hätte. Ich habe erst bemerkt, dass er nicht mehr da ist, als ich meine Koffer für die Ferien packte.«
»Was ist mit Ihrem Zimmergenossen?«
»Ich hatte keinen«, sagte Simon. »Ich hatte ein Zimmer für mich allein.«
Nun entdeckten sie mich, wie ich mit leeren Händen auf der Türschwelle lauerte. »Tut mir wahnsinnig leid, aber wir haben keine Milch mehr. Wollen Sie stattdessen lieber einen Orangensaft?«
Sergeant Mathiesons Kollege gab ein höhnisches Schnauben von sich. Der Sergeant selbst, der auf meine Tee-Einladung nicht gerade begeistert reagiert hatte, wirkte nun, da es keinen Tee gab, deutlich verärgert. »Für mich nicht, danke«, sagte er. »Was ist mit Ihnen, Jim? Wollen Sie ein Glas Orangensaft?« Er zog das Angebot ins Lächerliche, betonte das Wort Orangensaft, als hätte er noch nie etwas derart Absurdes gehört. Sein Kollege antwortete mit einem Kopfschütteln.
»Gut.« Mathieson wandte sich wieder Simon zu. »Sie bleiben also für den Rest der Ferien hier, ja?«
»Bis mein Onkel zurückkommt, was gegen Ende August sein wird«, berichtigte ihn Simon. »Danach werde ich wohl zu meinen Eltern fahren und bis zum Semesterbeginn dort bleiben.«
»Sind die anderen Leute hier alle Freunde aus der Universität?«
»Nein«, meldete ich mich flink zu Wort. »Ich bin auf der Pädagogischen Hochschule in Birmingham.«
»Wie viele Leute wohnen hier?«, erkundigte sich der andere Polizist. Er fragte das ganz beiläufig – als wäre es überhaupt nicht wichtig. Bemerkte er Simons Zögern?
»Drei – ich, Katy und unser Freund Danny, der gerade draußen im Garten arbeitet.«
Ein Grab schaufelt, ein Grab schaufelt , wollte mein gerade
erst selbst diagnostiziertes Tourettesyndrom schreien, aber ich ließ es nicht zu.
In dem Moment überfiel mich eine neue Idee. Angenommen, die Polizisten würden einen Durchsuchungsbefehl aus der Tasche ziehen? Trudies Sachen waren noch überall in ihrem Zimmer verstreut – und zwischen all den Dingen gab es vielleicht einen Hinweis auf ihre tatsächliche Identität. Selbst der lahmste Polizist würde binnen Kurzem zwei und zwei zusammengezählt haben. Es gab keine Möglichkeit, wie wir das erklären sollten. Es musste unbedingt etwas mit ihren Sachen geschehen. Ich zermarterte mir das Hirn, um irgendeinen plausiblen Grund dafür zu finden, nach oben zu gehen, damit ich Trudies Sachen zusammensuchen und irgendwo verstecken könnte – aber wo? Und wenn sie ihre Sachen in einem Bündel unter einem Bett oder sonst wo fänden, würde das nicht noch verdächtiger wirken? Könnten wir nicht einfach behaupten, sie sei gerade irgendwo unterwegs? Doch Simon hatte ihnen bereits gesagt, wir seien nur zu dritt – und viermal Garderobe für nur drei Leute ging nicht auf. Eine wilde Idee jagte die andere. Wir hätten ihre Leiche niemals bewegen dürfen – indem wir es taten, hatten wir dafür gesorgt, alles viel, viel schlimmer erscheinen zu lassen.
»So«, Sergeant Mathieson blickte auf seine Notizen, »Sie glauben also nicht, dass Sie ihn Rachel Hewitt geliehen haben?«
Ich schluckte. Zumindest schienen sie das Interesse an der Zusammensetzung unseres Haushalts verloren zu haben.
»Nein«, sagte Simon. »Daran würde ich mich erinnern.«
»Warum?«
»Weil ich Rachel Hewitt kaum gekannt habe«, erwiderte Simon – etwas gereizt, wie ich fand. »Also würde ich ihr wohl kaum etwas geliehen haben. Sie war nicht im selben Kurs wie ich, und wir wohnten nicht im selben Block. Ich habe sie ein paarmal gesehen, weil sich unsere Wohnblocks einen Gemeinschaftsraum teilen – aber wir benutzten getrennte Küchen. Soweit ich weiß, haben wir nie miteinander gesprochen.«
Sergeant Mathieson wirkte nun
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