Was im Leben zählt
werden, wo ich mich definitiv noch fester verwurzeln muss als sowieso schon . Ich wische mir die Tränen ab, stecke den Kopf zwischen die Beine und hoffe, dass die Welt wieder im Lot ist, wenn ich ihn hebe.
«Okay. Vielleicht bedeutet es ja wirklich etwas Gutes», sagt Susie. «Vielleicht bist du wirklich schwanger! Viele Frauen fallen in Ohnmacht, wenn sie schwanger sind!»
«Ja», sage ich. «Wahrscheinlich liegt es daran.» Ich sehe Ashley Simmons vor mir, die mir mit spöttischer Miene widerspricht, mir sagt, dass ich natürlich nicht schwanger bin, dass Kinder und Ehemänner nicht immer für alles die Lösung sind. Ich ziehe meinen Kopf aus seinem schützenden Kokon und falte die Hände vor dem Gesicht. Eine Welle der Übelkeit wogt durch meine Eingeweide. «Können wir jetzt bitte einfach nach Hause fahren? Hier riecht es schrecklich, und ich muss dringend schlafen. Es tut mir leid.»
«Jetzt entschuldige dich nicht ständig, Himmel noch mal!» Susie streichelt mich mit kreisenden Bewegungen zwischen den Schulterblättern. Ich richte mich langsam auf und ziehe mich am Treppengeländer hoch. Meine Beine sind bleischwer, als hätte jemand sie in Betonklötze gegossen.
Susie nimmt meine Hand. «Na, dann lass uns gehen.» Müde zwinge ich meine Beine, mit meinem Hirn zusammenzuarbeiten, und kehre zurück ans Tageslicht.
Zu Hause bringt Darcy mir eine Tasse Pfefferminztee.
«Ich habe nach Dad gesehen und Tyler angerufen, um ihm zu sagen, dass es dir gutgeht», sagt sie und reicht mir die dampfende Tasse. Ich hebe sie an die Lippen, aber der Rand ist viel zu heiß. Natürlich hat Darcy die Tasse in die Mikrowelle gestellt, obwohl ich sie gebeten hatte, den Teekessel zu benutzen.
«Danke. Ich rufe ihn morgen an», sage ich. «Wie geht es Dad?»
«Er schläft.» Sie zuckt die Achseln. «Wahrscheinlich seine Methode, um nüchtern zu bleiben. Im Schlaf lässt sich’s schlecht saufen.»
«Sei nicht so streng mit ihm, Darcy.» Ich puste in die Tasse. «Er gibt sich wirklich Mühe. Außerdem ist er hier, damit ich ihm beistehen kann.»
«Reicht es dir nicht irgendwann mal damit?» Sie lässt sich zu mir aufs Bett plumpsen, sodass die Matratze wippt.
«Es ist lange her», antworte ich. «Außerdem tun wir alle, was wir tun müssen.» Ich wappne mich für eine Wiederholung der alten, ewig gleichen Diskussion. «Bitte. Fang einfach nicht wieder damit an. Ich habe nicht die Kraft, mich zu streiten.»
Sie holt Luft, und ich weiß, dass sie noch etwas sagen will, aber in einem ungewohnten Anflug von Selbsterkenntnis rudert sie zurück.
«Also. Was ist wirklich mit dir los?», fragt sie schließlich. «Bist du tatsächlich schwanger? Werde ich echt Tante?»
«Du bist doch schon Tante», erinnere ich sie.
«Stimmt. Aber ich meinte bei dir.»
«Ich weiß es nicht – vielleicht. Ich hole mir morgen Vormittag einen Test.» Ich drücke ihre Hand, und wir grinsen uns an bei dem Gedanken an den winzigen Keim, der vielleicht in mir wächst. Der Groll der letzten Tage ist wie weggeblasen; schließlich sind wir Schwestern. Wir haben unser ganzes Leben damit verbracht, uns zu streiten und wieder zu vertragen.
«Du wirst eine tolle Mutter.» Sanft berührt Darcy mein Knie. «Wirklich. Das meine ich ernst.»
Ich sehe sie einen Moment lang an, dankbar, weil sie ausnahmsweise mal nett ist. Es gibt so viel Unausgesprochenes zwischen uns. Und dann betrachte ich ihr wunderschönes Porzellangesicht, präge es mir ein, mache ein Abbild, wie das Foto vielleicht, das ich vor vielen Jahren gemacht hätte. Jetzt wäre es vielleicht ein Polaroid, das ich an die Wand in meinem Büro kleben würde, ein bemerkenswertes Gesicht in einem Meer nicht ganz so bemerkenswerter Gesichter. Wann ist sie so erwachsen geworden? , denke ich. Hinter dem schwarzen Eyeliner und der allgegenwärtigen Schnute hat sie sich in eine erwachsene Frau verwandelt. Das ist mir bis jetzt überhaupt nicht aufgefallen. Ich sehe sie an. Ihr Gesicht ist zur Hälfte in den Schein meiner Nachttischlampe getaucht, die wilden, momentan blonden Haare fallen ihr über die Schultern, und ich hoffe, dass mir dieses Bild für immer im Gedächtnis bleibt. Sie hält meinem Blick länger stand, als ich es ihr zugetraut hätte, und ich spüre ihre Unterstützung, das Angebot, mich an sie zu lehnen.
Ein Klopfen an der Tür erschrickt uns beide, und Darcy quiekt. Dad betritt zögernd das Zimmer.
«Was?», sagt sie zu ihm.
«Hat irgendjemand Lust auf den Spätfilm im
Weitere Kostenlose Bücher