Was im Leben zählt
mich an. «Was hat denn Liebe damit zu tun?»
«Irgendwas schon.» Ich zucke die Achseln. «Es muss irgendwas damit zu tun haben.» Ich denke an Tyler und daran, wie sehr ich ihn liebe, seit ich sechzehn bin, daran, dass ich ihn mehr liebe als irgendetwas sonst auf der Welt. Und dann grüble ich über das riesige Bedürfnis in mir nach, daran zu glauben, dass die Liebe in der Lage ist, wenigstens einen Teil dessen zu retten, was er zu zerschmettern im Begriff ist. «Ich meine, vielleicht liebe ich Tyler genug, um umzuziehen, obwohl es das Letzte auf der Welt ist, was ich tun möchte.»
Ja, vielleicht . Vielleicht muss die Liebe ein kleines Bisschen größer sein als meine Panik bei dem Gedanken daran, die Stadt zu verlassen, die mein Ein und Alles ist, das feste Muster in meinem Leben, das mir so viel Trost gibt. Vielleicht werden wir schließlich deshalb gehen: nicht weil er mich zwingt, sondern weil ich mich freiwillig zu diesem Opfer durchringe.
«Die Liebe bringt einen Ehemann nicht dazu, mit seiner Assistentin rumzumachen. Sicher nicht. Tut mir leid.»
Ich will ihn verteidigen, doch mir wird klar, dass ich nicht wüsste, wie. Sosehr ein Teil von mir – jener Teil, der sogar bei Tageslicht mit Blitz fotografiert, um dem Tag überirdischen Glanz zu verleihen – eben dieses Blitzlicht auch auf Susies Ehe richten möchte; hier ist vielleicht überhaupt kein Glanz zu finden. Vielleicht verdunkeln sich manche Dinge einfach, egal, welche Tricks wir anwenden.
«Du redest es mir nicht mehr aus? Bittest mich nicht mehr, meine Meinung zu ändern und ihn zurückzunehmen? Seit Monaten tust du nichts anderes!» Überrascht sieht sie erst mich an und dann Lulu.
«Vielleicht hast du recht», sage ich. «Was weiß ich denn schon?»
«Normalerweise alles.» Ihre Überraschung verwandelt sich in Traurigkeit.
Ehe ich etwas darauf erwidern kann, höre ich, wie neben mir ein Stuhl vom Tisch gezogen wird, und als ich aufsehe, steht Eli Matthews vor uns, eine Runde Bier in den Händen.
«Hallo, ich hoffe, ihr habt nichts dagegen.» Er stellt die vier Flaschen auf den Tisch und beugt sich vor, um mich auf die Wange zu küssen. Ich bin so überrascht, dass ich keine Chance habe, die Begrüßung zu erwidern. «Ich habe euch sitzen sehen und dachte mir, Bier wäre das Mindeste, um mich für die Einladung zu bedanken.»
«Ich weiß zwar nicht, wer du bist, aber du bist mir jetzt schon sympathisch», sagt Susie, streckt die Hand aus und stellt sich vor.
«Ach, ehe ich es vergesse», sagt er zu mir und nimmt seine Umhängetasche ab. «Die habe ich dir mitgebracht. Zum Ausprobieren.» Er zieht eine teure, glänzende Nikon aus der Tasche und legt sie mir in die Hand.
«Das kann ich nicht annehmen.» Mit halbherziger Geste schiebe ich die Kamera zu ihm zurück.
«Nur geliehen. Um wieder in den Sattel zu kommen», sagt er. «Die digitale Fotografie ist eine völlig andere Welt.»
Lulu stupst mich unter dem Tisch an, und ich spüre Susies Blick auf mir. Sie fragen sich, was hier los ist, ob zwischen Eli und mir vielleicht sogar ein Flirt läuft, und weil ich genauso verunsichert bin wie sie, bin ich froh, als das Licht ausgeht. Ein einzelner Scheinwerfer wirft sein Licht auf die Bühne, und Dante tippt dreimal gegen das Mikrofon und fährt sich nervös über die Augenbraue.
«Äh, hallo, Leute. Danke, dass ihr heute Abend alle gekommen seid, um Murphy’s Law zu hören.» Tosender Applaus brandet auf. «Aber ich mache mir natürlich nichts vor. Ich weiß, dass ihr alle hier seid, um die unvergleichliche Darcy Everett zu hören, die für diesen Gastauftritt aus Los Angeles zu uns gekommen ist!»
Das Publikum, viele alte Freunde, die Darcy hier zurückgelassen hat, klatscht wie wild, und Susie lässt ein lautes «Whoop!» vom Stapel. Eli und Lulu folgen ihrem Beispiel, und dann zieht Dante sich an den linken Bühnenrand zurück, der Scheinwerfer erlischt, die Bühne liegt wieder im Dunkeln, und wir vier johlen wie verrückt, mit albernen, breit grinsenden Gesichtern, ein Augenblick ungezwungener Leichtigkeit, der vergessen lässt, dass das Leben außerhalb dieses Moments manchmal nur schwer zu ertragen ist.
Schließlich öffnet sich der Vorhang, und da ist sie; meine geliebte kleine Schwester, hinter einem Keyboard, mitten auf der Bühne, vor über hundert Leuten, die an diesem Mittwochabend hergekommen sind, um sie zu sehen. Murphy’s Law hat hinter ihr Position bezogen, Dante beinahe verschmolzen mit dem Schatten hinter
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