Was im Leben zählt
nicht alles, dumme Kuh! Doch sie erreichte damit nur, dass ich an den Tod meiner eigenen Mutter dachte, daran, wie kurz das Leben ist und dass man sich mit den Menschen umgeben sollte, die einen lieben. Was mich direkt zu Tyler zurückführte. Den ich angerufen hätte, wenn ich ihn nicht so hassen würde.
Susanna macht die erste Flasche Wein auf und schenkt uns allen die Gläser randvoll. Wir stürzen den Wein fast in einem Zug hinunter, viel zu schnell, und Darcy, mit Rollkragenpulli und burgunderrotem Kordhängerchen, wie damals, als sie klein war, macht die Runde um Susies Frühstückstheke, um nachzuschenken.
Susie erhebt das Glas.
«Auf die Dreiunddreißig», sagt sie. «Ich bete zu Gott, dass das nächste Jahr besser wird als die Zweiunddreißig.»
«Darauf trinke ich!» Vier Gläser stoßen klirrend aneinander, und wieder trinken wir in großen Schlucken. Der Merlot zeigt schnell Wirkung.
«Also. Es gibt Neuigkeiten!» Ich wedle mit der freien Hand in der Luft. «Tyler kommt in ein paar Wochen zurück, um seinen Krempel zu holen. Er hat mir heute eine SMS geschickt.»
«Eine SMS!» Ashley ist fassungslos.
«Allerdings.» Ich nicke. «Willkommen im 21. Jahrhundert, in dem dein Arschloch von Ehemann monatelang noch nicht mal mehr persönlich mit dir sprechen muss.»
Susies Schultern fangen verdächtig an zu beben. Sie steht mit dem Rücken zu mir, um die Lasagne zu schneiden. Als sie sich umdreht, ist ihr Gesicht vor Lachen verzerrt.
«Du willst mich wohl verarschen», sagt sie. «Er hat dir wirklich eine Scheiß-SMS geschickt?»
Ich fange an zu kichern, weil uns allen klar ist, dass ich sie natürlich nicht verarsche, dass rein gar nichts komisch daran ist, wenn dir dein Ehemann einen abgedroschenen Zweizeiler schickt, der im Wesentlichen besagt, dass im Oktober deine Ehe vorbei ist, wenn er kommt, um seinen Krempel zu holen. Doch der Alkohol wirkt inzwischen wie eine Rüstung, und außerdem, was soll’s?
«Ich weiß. Was für ein Scheißkerl», sage ich.
«Auf die Scheißkerle!» Darcy hebt das Glas, also stoßen wir an und sind bereit für die nächste Runde.
«Also darauf kann ich definitiv trinken!», sagt Susanna. «Weißt du was? An dem Wochenende kommst du zu mir», sagt sie und lädt jeder von uns eine Portion Salat auf den Teller. «Die Genugtuung, dass du dabei bist, gönne ich ihm nicht.»
«Irgendwas sollte er schon kriegen, nur sicher keine Genugtuung», sagt Ashley.
«Einen Besenstiel in den Hintern», schlägt Darcy vor.
«Ich denk darüber nach», sage ich.
«Über den Besenstiel?», fragt meine Schwester.
«Darüber herzukommen.»
«Schade. Den Stiel hätte er echt verdient.»
«Der ist auch noch nicht vom Tisch. Aber ich finde, er sollte mir ins Gesicht sagen, dass es aus ist», sage ich und probiere vorsichtig ein Blatt Salat, etwas, das mein Verdauungstrakt seit Wochen nicht bekommen hat. «Das ist das Mindeste.»
«Mein Schwager ist so ein Feigling! Mein Exschwager, meine ich», sagt Darcy. «Was für ein Mistkerl. Der soll es ja nicht wagen, hier aufzukreuzen und dich anzubetteln, ihn zurückzunehmen.»
Eine flüchtige Sekunde möchte ich am liebsten den Mund aufmachen und sagen: Natürlich will ich, dass er aufkreuzt und mich anfleht , aber selbst in leicht angesäuseltem Zustand ist mir klar, dass diese Frauen mir die Hölle heißmachen würden, sollte ich dieser Regung auch nur andeutungsweise Ausdruck geben. Also stopfe ich mir eine Gabel Lasagne in den Mund und nicke zustimmend.
«Männer sind Schweine, sage ich!» Ashley steht auf, um die nächste Flasche zu holen.
«Ich habe schon immer geglaubt, dass du lesbisch bist», sagt Darcy. «Was hiermit bewiesen wäre.»
Susie lacht so unvermutet, dass ihr winzige Nudelstückchen aus dem Mund auf den Arm fliegen.
«Ich bin keine Lesbe!», sagt Ashley und kämpft mit dem Korken. «Aber glaubt mir, ich habe ausgiebig darüber nachgedacht, ob eine Beziehung mit einer von euch nicht einfacher wäre.»
«Ich überleg’s mir», sagt Darcy. «Frag später noch mal nach.»
«Nimm es mir nicht übel», sage ich. «Aber ich würde nicht mit dir gehen. Du grübelst zu viel.»
«Ich auch nicht», sagt Susanna. «Allerdings habe ich auch Aussichten auf jemanden mit Penis, der ist mir einfach lieber, weißt du.»
Ashley gewinnt den Kampf mit dem Korken und füllt uns nach.
«Stopp! Kommando zurück, meine Liebe!», sage ich zu Susanna. «Was für Aussichten? Und wieso erfahre ich erst jetzt davon?»
«Weil es gerade
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