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Was im Leben zählt

Was im Leben zählt

Titel: Was im Leben zählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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weil man etwas nicht sieht, heißt das nicht, dass es nicht existiert.»
    «Das hab ich völlig vergessen!» Ich springe auf, viel zu schnell, und um mich dreht sich alles. «Meine Kamera!»
    «Die Kamera von dem schnuckeligen Kunsttypen», korrigiert Susie mich mit geschlossenen Augen.
    «Die Kamera von dem schnuckeligen Kunsttypen», räume ich ein und nehme den Fotoapparat aus der Tasche. Ich nehme die Schutzkappe vom Objektiv und schaue durch den Sucher.
    «Sagt Cheese!»
    «Cheeeese!», schallt es mir dreistimmig entgegen.
    Klick, klick, klick, klick, klick.
    Ich stehe vor meinen Freundinnen und halte den Augenblick fest. Damit ich eines Tages darauf zurückschauen und sagen kann: Ich hätte daran zerbrechen können, aber am Ende habe ich es nicht so weit kommen lassen .

[zur Inhaltsübersicht]
    Achtzehn
    D as Taxi setzt Darcy als Erste ab, und zwar bei Dante. Der Wein, der warm in ihrem Magen schaukelt, mindert ihre Hemmungen. Ich habe nicht nach dem Stand der Dinge zwischen den beiden gefragt, aber selbst im dichten Nebel aus Selbstmitleid habe ich mitbekommen, dass er ab und zu bei uns zu Hause ist, ungezwungen mit meinem Dad plaudert, mit gegrilltem Hähnchen zum Abendessen auftaucht, während Darcy hinter ihm steht und irgendeine neue Melodie summt.
    «Wir arbeiten nur zusammen an ein paar neuen Songs», sagt sie. «Wir sammeln Material.»
    Ich ziehe eine Augenbraue hoch, weil Zusammenarbeit noch nie zu Darcys Stärken gehört hat, aber ich reiße mich am Riemen.
    Die Laterne vor unserem Haus ist kaputt, und als das Taxi knirschend in die kiesbestreute Auffahrt einbiegt, sieht es fast so aus, als wäre das ganze Haus nicht da. Nur leerer Raum voll schaler Septemberluft.
    Ich schalte im Hinaufgehen die Verandabeleuchtung ein, erklimme die Stufen, krame nach dem Schlüsselbund und wanke ins Haus.
    Innen ist es so finster wie draußen, und ich genieße die Dunkelheit, wie ich sie vorher – vor alldem – niemals genossen hätte. Ich bin immer noch nicht an das leere Haus gewöhnt. Bis auf ein einziges Jahr am College, als ich im Wohnheim ein Einzelzimmer hatte, habe ich tatsächlich nie in meinem Leben allein gewohnt. Von zu Hause aus bin ich ins Studentenwohnheim gezogen, und nach dem Abschluss habe ich natürlich gleich mit Tyler zusammengewohnt. Ich taste mich durch die dunkle Diele, lasse die Hand über das Treppengeländer gleiten, erfühle mit den Fingern den Messingknauf der Schlafzimmertür.
    Ich falle bäuchlings aufs Bett, greife mir im Dunkeln ein Kissen und ziehe es mir über den Kopf, um auch noch den leisesten Lichtschimmer auszusperren. Komisch, dass ich mich überhaupt nicht an die Geschichte auf dem Fußballfeld erinnern kann. Komisch, wie glasklar Ashleys Erinnerung daran noch ist; bei mir – nichts. Ich schüttle den Kopf, versuche, die Szene mit Gewalt herbeizuzwingen, aber ich kann mich ja kaum noch daran erinnern, überhaupt Fußball gespielt zu haben, geschweige denn an ein Finale, in dem mein Vater vom Platz geschickt wurde. Ganz entfernt taucht verschwommen ein Bild von der Mannschaft auf, gelbgoldene Trikots, ein «Tony’s Pizzeria»-Logo auf den Ärmeln, die Kniestrümpfe stramm über die Schienbeinschoner gezogen. Wippende Pferdeschwänze und grinsende Zähne, in das beste Metall gebettet, das Westlakes Kieferorthopäden zu bieten hatten.
    Hektisch knipse ich die Nachttischlampe an, und schon knie ich vor der untersten Kommodenschublade und suche fieberhaft nach einer Bestätigung für etwas, an das Ashley sich offensichtlich mit Leichtigkeit erinnert. Ich wühle mich durch meine Hochzeitsfotos, jene Andenken an eine Zeit, als das Leben noch Perfektion versprach, und suche weiter. Tyler ist plötzlich so weit weg, so unwichtig, weil alles, was zählt, was ich in dieser Sekunde dringend finden muss , der Zeitpunkt ist, bevor um uns herum alles zerbrach. Als es einen Vater gab, der noch nicht trank und stattdessen am Spielfeldrand stand und sich mit dem Schiedsrichter anlegte. Als meine Mutter noch das blühende Leben war, robust und unverwüstlich. Als Darcy noch rund und unschuldig war und mit riesengroßen Augen die Welt bestaunte, bereit für all ihre Wunder.
    Aber es ist nichts zu finden. Die Bilder in meiner Kommode stammen alle aus der Zeit, nachdem die Freundschaft mit Ashley auseinandergegangen war. Ich lehne mich gegen die Kommode, der abgerundete Holzgriff drückt mir zwischen die Schulterblätter, und beschwöre mich selbst. Erinnere dich doch, verdammt noch

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