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Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Titel: Was ist koscher - Jüdischer Glaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Spiegel
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erklären Thora und Talmud, dass ein Leben ohne Partner kein vollständiges Leben ist. Ein Mensch ohne Lebensgefährten kann kein erfülltes Leben führen. Insofern sieht die Thora erst mit der Eheschließung den Augenblick einer Reifung gekommen, die dem Menschen neue Perspektiven für das Leben eröff net.
    Das jüdische Heim spielt dabei eine wichtige Rolle. Alle gro-
    ßen Feiertage und Feste werden auch und besonders daheim gefeiert. Die Ehefrau ist verantwortlich dafür, dass das Heim eine jüdische Atmosphäre hat, in der Küche wird nach den koscheren Speisegesetzen gekocht, die Kinder jüdisch erzogen. Besonders wichtig ist der Familientisch, an dem auch gegessen wird. Denn hier fi nden am Schabbat und an allen Feiertagen die traditionellen Abend- und MiĴ agessen staĴ , vor denen der Familienvater den Kiddusch über den Wein und das Brechen des Brotes vollzieht. Auf dem Tisch stehen die Schabbat- oder Feiertagskerzen, die die Frau mit einem Segen entzündet und dabei für das Wohl ihrer Familie betet. Am Tisch werden gemeinsam liturgische Lieder gesungen und nach dem Essen das Dankgebet (Tischgebet) für die Nahrung gesprochen. Der Familientisch hat im Laufe der jüdischen Geschichte den Altar im Tempel von Jerusalem ersetzt, er ist zum Substitut geworden, genauso wie es die großen Rabbinen nach der Zerstörung des Tempels vorgesehen haben, als sie darangingen, ein »abstraktes« Judentum zu entwickeln, 42
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    bei dem jede rituelle Handlung im Tempel durch eine Metapher, durch ein Abstraktum ersetzt wird. Weil der Tisch sozusagen der Altar in einem jüdischen Haus ist, setzen sich fromme Juden niemals lässig auf den Tisch. Das ist verpönt, man hockt nicht auf einem Altar herum.
    Die Hochzeit ist eine freudige, aber auch sehr ernste Angelegenheit. Kein Wunder, dass das Talmudtraktat, das sich mit den Gesetzen für die Trauungszeremonie beschäĞ igt, »Kid-duschin«, Heiligung heißt. Es gibt sehr, sehr viele Trauungsri-tuale, sie sind von Region zu Region verschieden. Ich möchte daher versuchen, hier die allgemein üblichen Abläufe vorzu-stellen.
    Im aschkenasischen Judentum heißt der Schabbat vor der Hochzeit »Schabbat Chatan«, Schabbat des Bräutigams. Der Bräutigam wird zu Ehren seiner anstehenden Hochzeit zur Thora aufgerufen, und es gibt natürlich im Anschluss an den GoĴ esdienst ein Essen, das für die ganze Gemeinde ausgerichtet wird. Die sefardischen Juden vollziehen den Schabbat Chatan erst nach der Hochzeit. Irgendwie sind sie klüger: Da ist der Bräutigam bereits verheiratet, er kann also nicht mehr davonlaufen.
    Vor dem Hochzeitstag sieht sich das Brautpaar nicht mehr.
    In manchen Gemeinden sind das vierundzwanzig Stunden, in manchen sogar eine ganze Woche. Mann und Frau sollen sich in aller Konzentration auf diesen wichtigen Tag vorbereiten, Abschied nehmen von ihrem »Single-Dasein«, sich bewusst werden, dass sie einen sehr wichtigen SchriĴ tun, dass zwei Seelen zu einer neuen Einheit verschmelzen werden. Am Tag vor der Hochzeit fasten sowohl Braut wie Bräutigam, um den Ernst der Stunde auch körperlich wahrzunehmen, beide 43
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    gehen – natürlich nicht gemeinsam – in die Mikwe, um sich noch einmal rituell und spirituell zu reinigen.
    Das Brautpaar sieht sich erst unmiĴ elbar vor der Trauung wieder. Die Braut sitzt dabei auf einem besonderen Thron, ihr Gesicht ist noch nicht verschleiert. Die Hochzeitsgäste kommen zu ihr, bewundern ihr Kleid, ihre Schönheit und gratulieren ihr. Unterdessen ist der Bräutigam noch in einem anderen Raum, wo er zusammen mit den männlichen Gästen betet. Dann wird im Beisein von Zeugen, von dem Rabbiner, der die Trauungszeremonie vornimmt, und natürlich in Anwesenheit des Vaters des Bräutigams und des Vaters der Braut die »Ketuba«, der Ehevertrag, unterschrieben. Neben einem Gelöbnis des Bräutigams, seine Frau zu lieben und zu ehren, wird in der Ketuba, die in Aramäisch geschrieben ist, die Höhe der MitgiĞ und die fi nanzielle Regelung im Falle einer Scheidung festgehalten. Im progressiven Judentum wird die Ketuba auf Hebräisch geschrieben, und es geht darin weniger um fi nanzielle Aspekte als um Fragen der Liebe und gemeinsamen Verantwortung für das Gelingen der Ehe. Die Liberalen sind off enbar romantischer als die Orthodoxen.
    Nach der Unterzeichnung der Ketuba wird der Bräutigam nun zu seiner Braut geführt, und zwar von

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