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Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Titel: Was ist koscher - Jüdischer Glaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Spiegel
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Schechinah erreicht werden.
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    Die chassidische Konzeption steht also in scharfem Gegensatz zur rabbinischen des 17. und 18. Jahrhunderts. War damals nur der Gelehrte in der Lage, GoĴ zu dienen, da er über das nötige Wissen verfügte, so zählte bei den Chassidim auch die einfache, aufrichtige Tat eines einfachen Mannes. Die Auf-fassung, dass das gesamte jüdische Volk eine Einheit ist, wird von den Chassidim wörtlich verstanden. Jeder trägt für jeden Verantwortung und ist am Erlösungsprozess beteiligt, der Zaddik genauso wie der Verbrecher.
    Wer bei diesen Erläuterungen an Praktiken aus dem Zen-buddhismus oder der Sufi s denkt, liegt nicht so falsch. In gewisser Weise verlangt Zen ja die volle Konzentration auf den Augenblick und den Respekt vor der Tat, die jeder in jedem Augenblick an jeglicher Stelle zu verrichten hat. Die Straße zu fegen ist daher genauso wichtig wie stundenlanges Meditieren. Und dass Sufi s durch Tanz und Musik in Ekstase geraten, ist bekannt – wenn man dann Chassidim beim Gebet tanzen und singen sieht, dann versteht man, wie nah sich oĞ die un-terschiedlichsten Kulturen sind, ohne es zu wissen.
    Nun, dass sehr viele Juden den Chassidismus begeistert aufnahmen, versteht sich. Die Mitnagdim, die Vertreter des knöchernen Gelehrtentums, gerieten bald ins Hintertreff en, nachdem sie obendrein vergeblich versucht haĴ en, gegen die Chassidim vorzugehen. Ihr wichtigster Vertreter war der be-rühmte Gaon von Wilna, Elij a, einer der größten SchriĞ gelehrten der jüdischen Geschichte. Er war ein erbiĴ erter Gegner der Chassidim. Doch selbst sein Bannfl uch von 1772 nutzte nichts. Der Chassidismus begann seinen Siegeszug und erfasste weite Teile Osteuropas.
    Wie alle charismatischen Bewegungen durchliĴ irgendwann auch der Chassidismus eine große Krise, die allmählich 129
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    zu seiner Degeneration führte. So faszinierend seine Entstehung war, dieses Phänomen, dass auf einem geographisch beschränkten Raum in einer überraschend kurzen Zeit eine riesige Zahl wahrhaĞ heiliger und inspirierter Führer auf-trat, so banal endete seine Blütezeit. Die Zaddikim wurden zu Wunderrabbis erkoren. Sie entwickelten Dynastien, und anders als noch der Baal Schem Tow, der nicht seinen Sohn, sondern seinen besten Schüler zu seinen Nachfolger erklär-te, weil er klar erkannt haĴ e, dass sein Sohn nicht über die nötigen Fähigkeiten verfügte, so entwickelten die Dynastien der Rebbes ein Erbrecht, das natürlich nur im Desaster enden konnte. Einer der letzten wirklich großen Rebben war Rabbi Nachman von Bratzlaw, ein Urenkel des Baal Schem Tow. Er ging hart ins Gericht mit den geld- und machtgierigen Zaddikim, die ihre Gemeinden nur noch für ihre persönlichen Inte-ressen ausnutzten, doch alles war vergeblich. Rabbi Nachman war einer der letzten großen Visionäre aus den Anfängen des Chassidismus.
    Natürlich hat sich der Chassidismus bis heute erhalten.
    Und immer wieder tauchen große Persönlichkeiten auf, wie zuletzt die des Lubawitscher Rebben in New York, Menach-em Mendel Schneerson, der Anfang der neunziger Jahre ver-starb. Doch sie blieben die Ausnahme.
    Der Grund für die ausführliche Beschreibung der chassidischen Bewegung jedoch ist, zu zeigen, dass das, was die meisten Europäer heute als das »ursprüngliche« Judentum wahrnehmen, in Wirklichkeit eine Entwicklung des 18. Jahrhunderts ist. Dass vor allem die Kleidung, wie etwa der Kaf-tan, nichts mit einer »jüdischen« Kleidung zu tun hat, sondern mit den Gepfl ogenheiten Osteuropas in jener Zeit.
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    Die Chassidim, oder noch eher: die Orthodoxie war in gewisser Weise auch eine Reaktion auf die Emanzipation, die durch die AuĤ lärung zunächst in Westeuropa den Juden bessere, freiere Lebensbedingungen gewährte. Viele Juden wandten sich von der Tradition ihrer Väter vollständig ab oder entwickelten neue Formen des jüdischen Glaubens. Eine Orthodoxie gab es im Grunde bis ins späte 18., frühe 19. Jahrhundert nicht. Ein Jude defi nierte sich nicht so. Man hielt die Gesetze, mehr oder weniger, Punkt.
    Erst durch das Entstehen neuer Strömungen, wie dem Reformjudentum oder dem säkularen Judentum, mussten sich die Frommen einen Namen geben: »Orthodoxe« – und sie begannen sich in ihrer Kleidung immer deutlicher von den anderen Juden zu unterscheiden, weil diese

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