Was ist koscher - Jüdischer Glaube
Feuerzeug. So wird auch verständlich, warum man am Schabbat nicht Auto fahren darf. Abgesehen davon, dass die Thora den Ortswechsel an SchabbaĴ agen untersagt, wird ein Funken ausgelöst, wenn man den Fahrzeugschlüssel in das Schloss steckt, um den Motor zu starten. Dasselbe gilt bei der Benutzung eines Licht-209
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schalters, einer HerdplaĴ e und so weiter. Immerzu haben wir denselben Vorgang: die Beeinfl ussung oder Veränderung der Schöpfung, die an diesem Tag sich selbst überlassen werden muss, damit wir uns bewusst werden, wer der wahre Herrscher der Welt ist, damit uns bewusst wird, wo wir selbst, als Menschen, in dieser Schöpfung stehen. Damit wir also, kurz gesagt, nicht völlig überheblich werden und den Menschen zum »Maß aller Dinge« machen, wie dies die alten Griechen forderten. Der Mensch als Maß aller Dinge, das ist spätestens mit Descartes zum Credo der säkularen Welt geworden, und es ist interessant, dass die Zivilisationskritik von heute mit ihren Zweifeln am Materialismus und an der Technologie genau an diesem Punkt ansetzt, den das Judentum bereits vor über 4000 Jahren als höchst problematisch und gefährlich erkannt hat.
Warum darf ein Jude aber am Schabbat Regale aus- und einräumen, einen Kinderwagen jedoch nicht von einem Haus zum nächsten schieben? Veränderungen sind so defi niert, dass Tätigkeiten, die innerhalb des eigenen geschlossenen Raums vorgenommen werden und nicht unmiĴ elbar die physikalische Veränderung der Schöpfung bewirken, nicht als Arbeit gewertet werden. Das Schieben eines Kinderwagens im Freien allerdings schon. Es wird ein Gegenstand – gemeint ist natürlich der Kinderwagen, nicht das Kind – mit einer bestimmten Absicht von einem Ort zum nächsten gebracht. Und dies ist schon wieder ein Eingriff in den natürlichen Ablauf der Dinge. Manche mögen das spitzfi ndig nennen, doch wer sich im modernen Justizwesen einmal umschaut, wird sehen, dass jede Gesetzesauslegung irgendwann so wird, weil es immer neue Details gibt, die zu berücksichtigen sind und die 210
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dem Rahmen eines Gesetzes entsprechend angepasst werden müssen.
Viele Nichtjuden halten die Schabbat-Gesetze für absurd und veraltet. Und viele Juden ebenso. Entweder halten sie sich überhaupt nicht mehr daran, oder aber sie versuchen
– und das schon seit Jahrhunderten –, diese Gesetze der modernen Lebensweise anzupassen. Im Reformjudentum ist es beispielsweise erlaubt, am Schabbat mit dem Wagen zur Synagoge zu fahren. Man hat sich einfach entschieden, die göĴ lichen Gesetze ein wenig aufzuweichen und sie für das Leben heute praktikabler zu machen. Ich will das nicht beurteilen, mir steht es nicht zu, einem anderen Juden zu sagen, was richtig oder falsch ist. Und doch muss man sich die Frage wohl stellen, ob mit einer solchen modernen Interpretation der Kern der Schabbat-Idee erhalten bleibt.
Allerdings haben auch viele Orthodoxe traditionelle Wege gefunden, sich das Leben zu vereinfachen. In den USA und in Israel fi ndet man etwa in Hotels, die überwiegend von frommen Juden frequentiert werden, einen so genannten Schabbat-LiĞ . Der wird vor Beginn des Schabbats auf vollautoma-tischen Betrieb umgestellt. Und so fährt er von selbst, ohne dass man einen Knopf drücken muss, und er hält ganz von selbst in jedem Stockwerk. Das ist natürlich ein Segen in einem Hotel, das vielleicht zwanzig oder dreißig Stockwerke hat. Doch natürlich gibt es auch innerhalb des orthodoxen Judentums Gruppen, die solche »Tricks« ablehnen.
Sie legen für sich die Gesetze noch strenger aus und sagen, dass das Feuer zwar vor Schabbat gezündet wurde – insofern bleibt der Lauf der Dinge am Schabbat ja unangetastet
–, aber da dies mit der Absicht getan wurde, sich das Leben zu erleichtern, käme das einer Übertretung direkt am Ruhetag gleich. Manche führen ein anderes Argument an, das 211
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im jüdischen Glauben ganz wichtig ist: Man darf mit seinem Verhalten niemanden zu einem Bruch der Religionsgesetze verführen.
Die klassische Diskussion zu diesem Thema stammt aus jüngerer Zeit. Sie geht darum, ob es einem orthodoxen Juden erlaubt ist, am Schabbat den Bus oder die Straßenbahn zu benutzen. Die öff entlichen VerkehrsmiĴ el fahren ohnehin, sagen die Befürworter, insofern muss der fromme Jude ja kein
»Feuer« machen. Wenn man einmal
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