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Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Titel: Was ist koscher - Jüdischer Glaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Spiegel
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das Problem der Fahr-kartenlösung beiseite schiebt (man darf ja keine am Schabbat kaufen, das wäre eine merkantile Transaktion und so ebenfalls ein Eingriff in den Lauf der Welt. Aber auch das Tragen einer Monatskarte ist nicht erlaubt, da Tragen und Transportieren, wie im Fall des Kinderwagens, verboten ist), dann könnte man doch sagen: Warum soll der Fromme nicht in den Bus steigen, der ihn zur Synagoge bringt und anschließend wieder nach Hause? Die Antwort der Neinsager: Es könnte sein, dass ihn ein anderer Jude sieht und dieser nicht weiß, dass ersterer keine Fahrkarte gekauĞ , keinen Knopf gedrückt hat usw. Jener Jude könnte sich dann denken: Na, wenn dieser orthodoxe Jude das macht, dann ist es religionsgesetzlich sicherlich in Ordnung, dann darf ich das auch. Und schon hat er ein Gesetz übertreten, verführt durch ein (falsches) Vorbild.
    Für viele, die mit der juristischen Denkweise im Judentum nicht vertraut sind, mag das verwirrend sein. Darum will ich grundsätzlich auch nicht alle Details der Ge- und Verbote er-läutern, sondern vielmehr den Kern der jeweiligen Feiertage vorstellen und immer mal wieder Beispiele anführen. Zur Beruhigung: Auch für so manchen Juden sind diese Regeln durchaus verwirrend. Die Diskussion der Gesetze, also die 212
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    Kommentare, sind im Talmud und in vielen rabbinischen Kodexen und Responsen festgehalten. Manche Menschen verbringen ein ganzes Leben damit, diese zu studieren! In Zweifelsfällen wendet sich also ein einfacher Jude an einen Rabbiner oder SchriĞ gelehrten und fragt ihn um Rat.
    »Und du sollst gedenken, dass du Knecht warst im Land Mizraim [Ägypten], und dass der Ewige, dein GoĴ , dich von dort herausgeführt hat mit starker Hand und mit aus-gestrecktem Arm; darum hat der Ewige, dein GoĴ , dir geboten, den SabbaĴ ag zu halten.« (Deut. 5, 15) Hier, im fünĞ en Buch Moses, klingt ein weiteres Motiv des Schabbats an: Die Erinnerung an die Befreiung aus der Sklaverei. Wenn wir uns als Juden am Schabbat daran erinnern sollen, wer der wahre Herrscher der Welt ist, wenn wir uns am Schabbat bewusst werden sollen, dass auch wir Menschen ganz von GoĴ und nur von GoĴ abhängen, dann geht es auch darum, sich bewusst zu machen, dass wir keine Sklaven sind, Sklaven, die irgendeinen menschlichen Herrscher anerkennen und akzeptieren müssen.
    In Zeiten, als Demokratie, Liberalismus und Religionsfreiheit noch keine Selbstverständlichkeit waren, bedeutete das, unter Umständen ungehorsam gegenüber Fürst oder Her-zog, König oder Kaiser sein zu müssen. Die Erfahrung der Diaspora gab es ja schon früh in der jüdischen Geschichte.
    Insofern haben sich die Weisen des jüdischen Volkes stets Gedanken gemacht, wie man das Leben der Juden mit der nichtjüdischen Umwelt in Einklang bringen kann. Schon im frühesten MiĴ elalter galt daher: »Dinei Malchuta Dinei«, das Gesetz der Macht gilt als Gesetz! Mit anderen Worten: Das Gesetz eines Landes war von den Juden stets als verbindlich 213
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    anzunehmen. Allerdings nur so lange, wie die königlichen Gesetze im Einklang mit den göĴ lichen, jüdischen Gesetzen gebracht werden konnten. Wenn also das Gesetz eines Staates vorgesehen häĴ e, dass Juden den Schabbat entweihen müssten, dann häĴ en sie dieses Gesetz nicht befolgen dürfen! Mit allen Konsequenzen – sofern nicht das eigene Leben dadurch in Gefahr gebracht wurde. Doch darüber später mehr ...
    Es gibt zwar heute kaum noch Könige und Kaiser, und wenn, dann haben sie, zumindest in unseren Breitengraden, nicht mehr viel zu sagen. Aber es gibt nach wie vor Direkto-ren und Chefs, die von ihren Angestellten verlangen, immer und zu jeder Zeit verfügbar zu sein.
    Im Zeitalter des Workaholismus aber ist die Idee des Schabbat noch revolutionärer, als sie zur Zeit ihrer Erfi ndung gewesen sein mag. Wir alle kennen doch diesen Zwang, ununterbrochen etwas tun zu müssen. Termindruck, Verpfl ichtungen, Verantwortungsgefühl, fi nanzielle Notwendigkeiten – mit solchen Begriff en umschreiben wir gerne die Zwänge, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind und die uns gar keine andere Wahl zu lassen scheinen, als sieben Tage die Woche zu arbeiten. Auch wenn es schon lange die FünĞ agewoche gibt, »müssen« viele am Samstag (in der christlichen Welt: am Sonntag) noch irgendwas machen: Steuererklärung oder Buchhaltung oder putzen oder reparieren oder, ganz banal,

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