Was Liebe ist
Kapitalerhöhung fest. Du solltest dabei gegenüber den Banken deine Position klarstellen. Es ist mir egal, was du ihnen erzählst, aber es dürfen keine Zweifel an deiner Haltung zu diesem Thema zurückbleiben. Du bist Teil eines Teams, Teil einer Familie, Roland. Du hast kein Recht, deine persönliche Meinung – welcher Teufel auch immer dich am Freitag geritten hat – über die Interessen aller anderen zu stellen. Ich verstehe dich nicht. Was soll das plötzlich, was ist überhaupt geschehen? Und was in aller Welt tust du in Amsterdam?«
Ich schlafe mit einer Jazz-Sängerin. Wir hatten vor zwanzig Minuten fantastischen Sex. Er hat Lust, diese Antwort zu geben, aber er lässt es. »Ich treffe mich mit einem Vorstand von Essent . Nach der Fusion von PNEM und EDON tut sich auf dem holländischen Elektrizitätsmarkt einiges. Essent ist jetzt der größte niederländische Stromversorger, vielleicht bekommen wir ein Bein in die Tür.«
»Davon hast du mir nichts gesagt.«
»Die Sache hat sich erst vor kurzem ergeben.«
Rolf schweigt. Mit dem Hinweis auf Essent und den niederländischen Strommarkt hat er ihm fürs Erste den Wind aus den Segeln genommen. Das verschafft ihm etwas Zeit.
»Und diese Geschichte mit Tante Lisa?«
»Das war eine spontane Idee.«
»Oma war völlig verwirrt.«
»Ich bin in Holland. Warum soll ich Tante Lisa nicht besuchen, wenn ich Zeit dafür finde?«
»Ich verstehe dich nicht. Zuerst dein Auftritt im Kanzleramt, dann dein Verhalten bei der Geburtstagsfeier – und damit meine ich jetzt nicht nur die Geschichte mit Oma, sondern auch deinen Ausflug ins Klavierdozentenfach! Ich möchte wirklich wissen, was mit dir los ist.«
»Das mit Niko tut mir leid.«
»Das sollte es wirklich! Er hat gestern den ganzen Tag auf dem Klavier herumgehämmert und lauthals verkündet, er könne jetzt ohne Noten spielen.«
»Oh, ach ja …«
»Es war schauerlich. Sein Klavierlehrer wird einiges zu tun haben, ihn wieder in die Spur zu bringen.«
Zoe steht unter der Dusche, als er ins Zimmer kommt. Die Tür zum Bad ist offen. Dass er einfach so hineingehen kann, findet er aufregend. Das Bad ist denkbar einfach eingerichtet, weiße Kachelung, zentrale Deckenleuchte, keine Duschabtrennung, nicht einmal ein Vorhang. Zoe steht auf den kleinen grauen Bodenfliesen, auf die das Wasser prasselt wie Regen auf die Straße. Er lehnt sich an den Türrahmen und sieht ihr beim Duschen zu. Die Stärke seines Verlangens erstaunt ihn selbst.
»Weißt du, dass John Lennon und Yoko Ono in Amsterdam ein einwöchiges Bed-in veranstaltet haben?«, sagt sie. »Das war im März 1969 nach ihrer Hochzeit. Unglaublich,damals war ich noch gar nicht geboren. Sie haben den ganzen Tag im Bett gelegen und die Weltpresse empfangen.«
»Nackt?«
Sie streicht sich mit den Händen die nassen Haare nach hinten, um das Shampoo herauszuspülen. »Nein. Sie trugen Schlafanzüge oder Bademäntel und haben für den Weltfrieden demonstriert. Aber es gibt ein Album, Two Virgins , da sind sie auf dem Cover beide nackt. Das Album wurde in England nur in einer Hülle aus braunem Packpapier verkauft.«
Er nimmt ein Handtuch von der Stange und reicht es ihr.
»Ich nehme an, es war ein ziemlicher Renner.«
»Absolut nicht. Auf dem Album war nämlich überhaupt keine Musik, sondern lediglich ein Mix aus Geräuschen und Tonfetzen, den die beiden in irgendeiner Nacht und nach einigen Joints – nehme ich mal an – zu Hause mit dem Kassettenrekorder aufgenommen hatten. Irgendwo stand auch ein Klavier herum, und Lennon – vermutlich, es könnte auch Yoko Ono gewesen sein – schlägt manchmal ein paar Akkorde an oder klimpert nur so herum. Man kann darüber sagen, was man will, aber es ist originell. So etwas hat im Pop weder davor noch danach irgendjemand gewagt.«
Sie liegen wieder im Bett. Amsterdam ist offenbar ansteckend. Sie sollten ein Bed-in machen, am besten nackt allerdings, im Gegensatz zu John Lennon und Yoko Ono. Er streichelt sie, ihre Hüften, ihre Schultern – er kann nicht anders.
»Erzähl mir etwas von dir, egal was. Warum bist du nach Berlin gegangen?«
Sie steht auf. In Ermangelung eines Schlafanzugs oder Bademantels (oder Kimonos, Yoko Ono ist Japanerin) hüllt sie sich wieder in das Laken. Am Fenster liegt neben dem Aschenbecher ihre Zigarettenschachtel. Historisch gesehen dürfte sie mit dem Rauchen dem Lennon-Ono-Ur-Bed-in näher kommen als er mit seiner weitgehend drogenfreien Existenz.
»Ich lass es, wenn
Weitere Kostenlose Bücher