Was Liebe ist
auch bei ihm. So sicher, wie er sich in diesem Punkt als Mann sein kann, glaubt er, dass sie zusammen zum Höhepunkt kommen. Ihre Hände umklammern seine Schultern, und als er soweit ist, festigt sich ihr Griff so sehr, dass es beinahe schmerzhaft ist.
Als sie sich voneinander lösen, sagt sie: »Weißt du, was Ich liebe dich auf Holländisch heißt?«
»Nein«, sagt er.
»Ik hou van jou«, sagt sie, wobei sie das ou , wie im Holländischen üblich, wie ein au ausspricht.
»Ik hau van jau?« Er muss unwillkürlich über diesen im Deutschen etwas clownesk klingenden Satz schmunzeln.
»So geht es allen Deutschen«, sagt sie.
»Wie denn?«
»Du denkst, es hört sich komisch an.«
»Ungewohnt …«
» Ich liebe dich klingt sehr hell für das, worum es geht. Fast ein wenig spitz.«
»Findest du?«
»Das Holländische ist näher dran.« Sie flüstert ihm den Satz mit dem dunklen Timbre ihrer Gesangsstimme ins Ohr.
Eine Viertelstunde später – sie liegen noch nackt im Bett – klingelt sein Telefon. Das schmale grüne Display informiertihn, dass es Rolf ist, sein Cousin. Er kann nicht nackt mit Rolf telefonieren. Er drückt das Gespräch weg und steht auf.
»Ich muss da zurückrufen«, sagt er.
Er zieht sich an und geht ins Bad. Dort zieht er ein Kapselblättchen Topamax aus der Schachtel und steckt es in die Hosentasche, das Ganze so leise wie möglich. Dann geht er über den Hotelflur in das zweite Zimmer, das sie angemietet haben, das kleinere mit der weiß lackierten Holzvertäfelung und dem Waschbecken an der Wand. Er füllt das Glas auf dem Beckenrand mit Wasser und nimmt eine der Tabletten. Danach setzt er sich auf die Bettkante und betätigt die Rückruftaste. Rolf hält sich nicht lange mit einer Begrüßung auf. »Sag mal, stimmt das? Du bist in Amsterdam?«
»Ja, bin ich.«
»Wir dachten, Großmutter bringt wieder alles durcheinander, als sie gestern anfing, von Tante Lisa zu sprechen. Das hat sie seit Jahren nicht mehr getan, und auf einmal sagt sie, du willst Tante Lisa besuchen.«
»Ich denke darüber nach.«
»Du denkst darüber nach!«, lässt Rolf seinem Unmut jetzt freien Lauf. »Weißt du eigentlich, was hier los ist?«
»Noch nicht.«
»Kurt Weyse hat mich gerade angerufen!«
»Ach so, das …«
»Ja, das! Er hat sich bei der Entschädigungskonferenz über dich geärgert. Stimmt das, was er sagt? Dass du dich eindeutig für eine Teilnahme an dem Fonds ausgesprochen hast? Das ist nicht das, was wir im Vorfeld verabredet hatten. Alles, was du dort solltest, war, die Lage zu beurteilen. Ist direigentlich klar, dass du mit der Erklärung, wir seien bereit, in den Entschädigungsfonds einzuzahlen, die Kapitalerhöhung gefährdest, an der wir seit Monaten arbeiten?«
»Ich habe nicht gesagt, dass wir zahlen wollen.«
»So ist es aber rübergekommen. Weyse sagt, du hättest alle anderen als Erpresserbande beschimpft. Denkst du etwa, irgendjemand hat Lust, bei uns zu investieren, wenn er annehmen muss, dass wir sein Geld anschließend in eine ominöse Stiftung stecken?«
Rolfs Bemerkung bezieht sich auf die von ihnen seit einem halben Jahr geplante und vorbereitete Ausgabe neuer Aktien. Durch ein Bezugsrecht der Aktionäre – neben den Familienmitgliedern drei Banken, die insgesamt einen Anteil von neunundzwanzig Prozent halten – soll verhindert werden, dass das Aktienkapital dabei verwässert wird. Eine substantielle Einzahlung in den Zwangsarbeiter-Entschädigungsfonds würde den Wert der Firma allerdings mindern und zu einem entsprechenden Abschlag beim Kurs der Aktien führen. Im Prinzip würden die Aktionäre, also die Banken, die Zeche zahlen. Um die mittelfristigen strategischen Unternehmensziele, insbesondere eine bessere Positionierung auf den asiatischen Märkten, umzusetzen, ist eine Kapitalerhöhung aber unumgänglich. Der Zeitpunkt für einen Konflikt mit den geldgebenden Banken ist also ungünstig.
»Warte doch erst einmal ab«, sagt er. »Wir wären ja nicht die Einzigen, die der Entschädigungsinitiative beitreten. Betrachte es als eine Investition in unser Image. Du siehst, was zur Zeit in den USA geschieht.«
»Wir sind nicht Daimler, Siemens oder die Deutsche Bank. Niemand verklagt uns. In diesen Entschädigungsfonds einzuzahlen, wäre herausgeworfenes Geld.« Rolf macht eine kurze Pause. Es ist kühl im Zimmer. Vor ein paar Minuten hat er noch neben Zoe im Bett gelegen. Rolf fährt fort: »Am Donnerstag legen wir hier die letzten Einzelheiten der
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