Was macht der Fisch in meinem Ohr
gegebenen Kontext ankommt. Schriftliche und mündliche Sprache hat aber eine Eigenschaft, die seit jeher nicht bestimmten Aspekten einer Äußerung zugeordnet wird, sondern der Beziehung zwischen allen – ihrem Stil.
Stil ist mehr als Genre. Kochrezepte übersetzt man nicht in etwas so Unbestimmtes wie »Deutsch«, sondern in Kochrezepte, das Genre, das Kochrezepte mit ihren üblichen Merkmalen in unserer Sprache bilden.
Ebenso übersetzt man französische Dichtung auch nicht ins »Englische«, sondern in Dichtung, wie der amerikanische Dichter und Übersetzer C. K. Williams sagt. Dichtung ist ein typischer gesellschaftlicher und kultureller Sprachgebrauch und kann daher als Genre in unserem Sinne gelten, kommt freilich in vielen verschiedenen Formen daher. Zusätzlich zum Genre muss der Lyrikübersetzer sich für einen bestimmten Stil entscheiden.
Vor 25 Jahren brachten Eliot Weinberger und Octavio Paz ein merkwürdiges Buch heraus – halb Essay, halb Anthologie –, mit dem Titel 19 Ways of Looking at Wang Wei (19 Arten, Wang Wei zu betrachten), das 19 unterschiedliche englische Übersetzungen eines Gedichts vonenthält, einem chinesischen Dichter des 8. Jahrhunderts. Ihre ausführliche Debatte, welcher dieser »Betrachtungen Weis« der Vorzug zu geben sei, mal beiseitegelassen, wird daran sichtbar, dass sie für 19 verschiedene Arten englischer Dichtung stehen, für 19 »Stile« jeweils erkennbar eigener Art (Eliot’sch, Ashbery’sch, Frei-Vers-isch und so weiter). Zehn Jahre später brachte Hiroaki Sato One Hundred Frogs heraus, eine Sammlung von genau genommen sogar mehr als hundert bereits publizierten englischen Fassungen eines berühmten Haikus von Matsuo Bashō:
Furu ike ya
kawazu tobikomu
mizu no oto
I
The old pond
Der alte Teich
A frog jumped in,
Ein Frosch sprang hinein,
Kerplunk!
Palumps!
II
pond
Teich
frog
Frosch
plop!
platsch!
III
A lonely pond in age-old stillness sleeps …
Apart, unstirred by sound or motion … till
Suddenly into it a lithe frog leaps.
Ein Teich, sein Wasser ungetrübt
Von Laut und Lüften, schläft allein …
Da springt vergnügt ein Frosch hinein.
Wenn »Stil« der Begriff für das ist, wodurch sich diese drei Versionen von Bashōs Haiku unterscheiden, dann ist Stil keine individuelle Eigenschaft der Gedichte von beispielsweise Allen Ginsberg, John Masefield und Ogden Nash, sondern eine kollektive Eigenschaft der Gedichte, die in dem jeweiligen Stil geschrieben sind – in Ginsbergisch, Masefieldisch und Nashisch sozusagen (eines davon stammt sogar tatsächlich von Allen Ginsberg). So verstanden ist Stil in hohem Maß imitierbar, und das nicht nur um komischer Effekte willen. Musikstudenten erwerben kompositorische Fähigkeiten, indem sie in der Manier von Mozart oder Bach komponieren, und Schriftsteller üben ebenfalls, zu schreiben wie Flaubert 1 oder wie Proust 2 . Die folgenden Stücke stammen nicht von William Wordsworth, T. S. Eliot oder Bert Brecht – aber es genügt eine vage Erinnerung an die Schulzeit, um zu wissen, welches im Eliot’schen, im Brecht’schen und im Stile der Lake Poets geschrieben ist.
There is a river clear and fair
’Tis neither broad nor narrow
It winds a little here and there –
It winds about like any hare;
And then it holds as straight a course
As, on the turnpike road, a horse,
Or, through the air an arrow
Es fließt ein Bächlein klar und rein
Nicht schmal, nicht breit durch kühle Au
Es springt im Zickzack durch den Hain –
Ein Hase könnt’ nicht flinker sein;
Dann hält es nur noch graden Weg
Als wie ein Pferd auf schmalem Steg
Oder ein Pfeil vorm Himmelsblau.
Sunday is the dullest day, treating
Laughter as a profane sound, mixing
Worship and despair, killing
New thought with dead forms.
Weekdays give us hope, tempering
Work with reviving play, promising
A future life within this one
Sonntag ist der trübste Tag, er hält
Lachen für Profanierung, er mischt
Andacht und Zagen, tötet
Neuen Geist mit alter Form.
Werktage schenken uns Hoffnung, sie lindern
Arbeit durch erquickendes Spiel, verheißen
Künftiges Leben in diesem
Brünhilde: Was bleibt dem Armen übrig, als seine Armut zu ersäufen?
Siegfried: Heute ist es noch Wodka, aber morgen wird es süß und seimig sein wie der Met einer Mutterbrust.
Brünhilde: Nicht einmal die Mutterbrüste lassen sie den Armen.
Siegfried (groß): Auch du hast Brüste, Proletariermädchen!!
Auch du hast Lüste in deinem Bauch,
Auch du hast einen
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