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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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(»übersetzt«), aber auch kontrafaktisch geworden, was (1) nicht ist. Die Umformulierung auf Französisch erzeugt ebenfalls eine Unwahrheit, wenn man meint, Übersetzen heiße, für einen Signifikanten nach dem anderen die jeweilige Entsprechung so hinzuschreiben, wie sie im Taschenwörterbuch steht.
    3. Il y a sept mots dans cette phrase.
    Der Hauptgrund für Probleme sind Lösungen, hat ein kluger Amerikaner einmal gesagt, und das Durcheinander, das entsteht, wenn man selbstreferenzielle Sätze ohne jeglichen Kontext umformuliert, ist ein gutes Beispiel dafür. Schließlich ist (3) nicht die einzige Möglichkeit, (1) auf Französisch zu sagen. Es ist sogar die am wenigsten überzeugende Version. Eine bessere Entsprechung wäre:
    4. Cette phrase est constituée par sept mots.
    Da Philosophie aber von Philosophen geschrieben wird und nicht von Übersetzern, zeigt sich an der Kollision von (1) und (3) angeblich eine größere, allgemeinere Wahrheit:
    Eine Übersetzung von einer Sprache in eine andere kann nicht zugleich den Bezug (wovon der Satz handelt), den Selbstbezug (was ein Satz über sich selbst aussagt) und den Wahrheitswert (ob der Satz richtig oder falsch ist) erhalten. 2
    Das würde erklären, warum Witze und Wortspiele, die auf Besonderheiten der Sprache selbst beruhen, unübersetzbar sind. Da das als allgemeingültige Behauptung daherkommt, kann man sie auch mit einem einzigen überzeugenden Gegenbeispiel widerlegen. Der Grund, weshalb sie nicht zutrifft, ist aber nicht in einem beliebigen Gegenbeispiel enthalten. Die Schwachstelle der Behauptung ist vielmehr, dass sie nicht sagt, was hier mit »übersetzen« gemeint ist. Vielleicht kommt das Folgende der Wahrheit des Übersetzens ja näher:
    Mit Zähigkeit und Kopfkratzen kriegen geistig wendige Wortschmiede es hin, den Bezug, den Selbstbezug und den Wahrheitswert einer Äußerung zu erhalten, wenn das Schicksal es gut mit ihnen meint und ihnen etwas eingibt, was dem ursprünglichen Ausdruck auf mehreren Ebenen entspricht.
    Im 52. Kapitel von Georges Perecs Das Leben Gebrauchsanweisung streift ein deprimierter junger Mann namens Grégoire Simpson durch Paris und starrt stundenlang in Schaufenster. Er gelangt in eine überdachte Passage und betrachtet die humoristischen Visitenkarten in der Auslage eines Scherzartikelgeschäfts. Dies ist eine:

    Fourreur ist das französische Wort für »furrier« (»Kürschner«), aber auch eine ungefähre Abbildung der Lautgestalt des deutschen Worts Führer, französisch ausgesprochen. Das Wortspiel ist metalinguistisch und selbstbezüglich, vorausgesetzt, man weiß, wer und was Hitler war, weiß außerdem, dass ein Kürschner und ein Diktator nicht dasselbe sind, und ist in der Lage, das französische Wort so auszusprechen, als sei es ein deutsches, und vice versa. Für eine Übersetzung des Wortspiels benötigt man also nicht Entsprechungen der französischen Details, sondern etwas, was der Beziehung zwischen ihnen entspricht – der Diskrepanz zwischen den Lauten und Bedeutungen zweier Sprachen, von denen eine Deutsch sein muss.
    Ich kam auf das:

    Es hat eine Weile gedauert, bis ich meine Lösung fand, und sie war ein Glückstreffer. Es ist nicht die einzige denkbare oder gar die beste Übersetzung von Perecs Visitenkartenwitz – Eugen Helmlé machte daraus: Adolf Hitler, Vierer –, doch auf den entscheidenden Ebenen passt sie. Sie spielt mit den Lautsystemen des Deutschen und des Englischen, und sie beruht auf demselben Allgemeinwissen. Sie gibt nicht alles wieder, was das Original aussagt – welche Lösung tut das schon? –, liefert meiner nicht ganz unmaßgeblichen Meinung nach aber genügend Entsprechendes, um als befriedigende Übersetzung eines selbstreferenziellen, metalinguistischen und sprachübergreifenden Wortspiels zu gelten.
    Humorvolle Bemerkungen, Kalauer, geistreiche Anekdoten und alberne Scherze sind nur dann unübersetzbar, wenn man unter »Übersetzen« partout ein Einwechseln von Entsprechungen verstehen will, das lediglich auf der Ebene der Signifikanten stattfindet. Das aber ist es nicht. Übersetzen liefert vielmehr passende Gegenstücke für die Aspekte einer Äußerung, die in ihrer Gesamtheit die Wirkung erzeugen, die die jeweilige Äußerung in ihrem Kontext hat.
    Damit wissen wir immer noch nicht, was wir mit »entsprechen« meinen. Aber wir kommen der Sache näher.

26. STIL UND ÜBERSETZUNG
    Übersetzungen verändern meist viele Teile der Quelle, um das zu erhalten, worauf es im

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