Was macht der Fisch in meinem Ohr
so sagen: Es liefert einer Gemeinschaft eine akzeptable Entsprechung für eine in einer Fremdsprache getätigte Äußerung. Das ist zwar sehr knapp formuliert, trifft aber auf Konferenzdolmetschen, Comics, juristische Verträge und Romane zu, ist also ein vernünftiger Ausgangspunkt.
Bleiben nur noch drei große Fragen:
Was macht eine Entsprechung akzeptabel?
Für welche aus dem endlosen Katalog von Eigenschaften, die jede Äußerung besitzt, kann oder muss eine Übersetzung Entsprechungen liefern?
Apropos, was meinen wir eigentlich mit »entsprechen«?
Diese Fragen versucht die Übersetzungswissenschaft seit jeher zu beantworten, manchmal arg akademisch verklausuliert. »Kriterien für die Qualität von Übersetzungen« etwa wäre ein Etikett für Antworten auf die erste Frage. Wie immer die Fragen aber formuliert sein mögen, Antworten zu finden ist nicht leicht.
In das Urteil darüber, ob eine Übersetzung eine akzeptable Entsprechung des Originals liefert, fließen je nach Person und Zeitpunkt alle möglichen Kriterien ein – theoretische, praktische, soziale, kulturelle und zweifellos manchmal auch rein zufällige (etwa dass der Übersetzer ein berühmter Preisträger ist und es deshalb richtig gemacht haben muss ). Diese Kriterien hierarchisch zu ordnen oder Situationen danach zu unterscheiden, ob sie zutreffen oder nicht, würde die Sache unnötig komplizieren. Es ist vielleicht ergiebiger, von außen zum Kern vorzudringen und zunächst einen Blick auf Stellen zu werfen, für die Entsprechungen nach vorherrschender Meinung besonders schwer zu finden sind.
Fast immer hisst die Übersetzungskritik die Fahne mit der Aufschrift »Schwacher Abklatsch« bei Äußerungen, die zum Lachen oder Lächeln bringen. Hier ein sowjetischer Witz über Stalin:
Stalin und Roosevelt streiten darüber, wer die treueren Leibwächter habe, und befehlen ihnen, aus dem Fenster im 15. Stock zu springen. Roosevelts Leibwächter lehnt rundweg ab und sagt: »Ich muss an die Zukunft meiner Familie denken.« Stalins Leibwächter aber springt aus dem Fenster und stürzt in den Tod. Roosevelt ist perplex.
»Warum hat Ihr Mann das getan?«
Stalin zündet sich die Pfeife an und erwidert:
»Er muss auch an die Zukunft seiner Familie denken.« 1
Das ist eine Übersetzung (der englischen Übersetzung aus dem Russischen) und ist schon auf Russisch eine, weil der gleiche Witz seit Jahrhunderten über brutale Potentaten erzählt wird, angefangen mit Peter dem Großen. In dieser Form und mit der Pointe dürfte er sich in allen menschlichen Sprachen wiedergeben lassen, sofern zwei Bedingungen zutreffen, die hier nur zufällig sprachlicher Art sind: In der Zielsprache muss es einen Ausdruck für »an die Familie denken« geben, der zwei nur in Nuancen voneinander abweichende Vorhaben umschreibt (Frau und Kinder ernähren; sie vor Verfolgung schützen); und der Zuhörer muss verstehen oder erahnen können, dass üble Potentaten Ungehorsam von Untergebenen mit der Verfolgung ihrer Angehörigen bestrafen. Die beiden Bedingungen werden vielleicht nicht in allen Kulturen und Sprachen der Welt erfüllt, aber sicher in vielen. Die »Unübersetzbarkeit von Komik« hat sich schon beim ersten Test als nicht stichhaltig erwiesen.
Treffen die beiden allgemeinen Bedingungen zu, kann man den Spring-für-Stalin-Witz so variieren, dass er für eine Vielzahl anderer historischer und geografischer Schauplätze in derselben Sprache oder in einer beliebigen anderen passt und trotzdem der gleiche Witz bleibt. Übertragbare Witze dieser Art gibt es wie Sand am Meer; in dieselbe Rubrik fallen die nach identischem Muster gebauten politisch inkorrekten Schmähungen direkter Nachbarn, mit denen etwa Franzosen über Belgier, Schweden über Finnen oder Engländer über Iren sprechen.
Sie lassen sich übersetzen, wenn man für das Zusammenspiel von Voraussetzungen und Bedeutung, aus dem sich die Pointe ergibt, Entsprechungen im neuen Kontext findet und den Rest anpasst. Solche Entsprechungen zu erkennen ist keine seltene, sondern vielleicht sogar eine universelle Fähigkeit. Gute Entsprechungen zu finden ist jedoch nicht jedem gegeben. Aber auch Sprachspiele, die etwas anders funktionieren, braucht man nicht lange zu suchen.
A Brooklyn baker became deeply irritated by a little old lady who kept standing in line to ask for a dozen bagels on a Tuesday morning despite his having put a big sign in his window to say that bagels were not available on Tuesday mornings. When
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