Was macht der Fisch in meinem Ohr
bestreiten. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen liegt das literarische Übersetzen ins Englische in der Hand von Liebhabern.
Dennoch spielt es eine zentrale Rolle bei der Erschließung des Weltmarkts für neue Literatur. Das Missverhältnis zwischen globaler Bedeutung und lokaler Anerkennung ist vielleicht die größte Merkwürdigkeit des Berufs. Das literarische Übersetzen, ganz gleich in welche Sprache, hat Spezifika, durch die es sich von den meisten anderen Sprachberufen unterscheidet. Zum einen sind die Terminvorgaben weniger streng als bei Tätigkeiten in der Wirtschaft, auf dem Gebiet des Rechts oder in der Technik. Zudem sind die möglichen Folgen dessen, was ein Übersetzer verantworten muss, weniger beängstigend. Übersetzungsfehler vor Gericht, in Krankenhäusern oder in Betriebshandbüchern können sich unmittelbar schädigend für andere auswirken. Nun hat es gewiss auch Konsequenzen, wenn jemand ein Meisterwerk verpfuscht, aber das Risiko für den Übersetzer oder den Kunden ist nicht vergleichbar. Flüssig lesbare Prosa zu produzieren, die stellvertretend für eine ursprünglich auf Deutsch oder Spanisch erzählte Geschichte stehen soll, ist außerdem vergnüglicher, als eine englische Synopsis eines russischen Dokuments über Grenzstreitigkeiten in der Barentsee zu verfassen. Alles das führt dazu, dass englische Neuverfasser ausländischer Romane neben dem geringen Lohn auch ein geringes Ansehen haben. Sie müssen sich nicht allzu sehr plagen.
Größer als im Vergleich zu Japan kann der Unterschied kaum sein. Shibata Motoyuki ist zweifellos der berühmteste Englischübersetzer seines Landes: Sein Verleger bringt eine gesonderte »Shibata-Motoyuki-Kollektion« heraus, der Buchhandlungen ganze Abteilungen widmen. Sein Name erscheint nicht nur auf dem Schutzumschlag, sondern wird auch in derselben Größe gedruckt wie der Name des Autors.
Japanische Literaturübersetzer genießen etwa dasselbe Ansehen wie Autoren in Großbritannien und Amerika. Viele Schriftsteller, die auch übersetzen, sind landesweit bekannt, und es gibt sogar ein Buch mit Promiklatsch über sie, Honyakuka Retsuden 101 , »Das Leben der Übersetzer 101«.
In vielen Ländern ist es um die symbolische und die materielle Anerkennung von Übersetzern besser bestellt als in Amerika oder in Großbritannien. In Frankreich und in Deutschland, wo ausländische Literatur in ungleich höherem Ansehen steht, werden literarische Übersetzer besser bezahlt als ihre amerikanischen Kollegen. In der englischsprachigen Welt haben fast alle einen Erstjob, mit dem sie ihre Nebenbeschäftigung finanzieren, während man etwa in Frankreich oder Japan von seinem Erstjob als Übersetzer einen zweiten Beruf finanzieren – und beispielsweise selber schreiben – kann.
In der Ungleichheit der sozialökonomischen Umstände, unter denen das literarische Übersetzen in Fernost, in Kontinentaleuropa und in der anglophonen Welt stattfindet, spiegelt sich die Asymmetrie der globalen Übersetzungsströme wider. Je nachdem, ob aufwärts oder abwärts übersetzt wird oder ob zum Zentrum oder zur Peripherie hin, um es mit Pascale Casanova zu sagen, 2 unterscheiden sich die Bedingungen erheblich, was sich zwangsläufig auf den Übersetzungsprozess selbst auswirkt.
Kulturen, die an der Peripherie des weltweiten Buchhandels liegen, suchen Zugang zum Zentrum. Wenn übersetzte Literatur kulturell bedeutsam wird, dann in erster Linie deshalb, weil sie Fremdes erschließt. In den Sprachen des Zentrums aber ist die Fremdartigkeit eines neuen Buchs nicht sonderlich von Bedeutung. Neue ausländische Literatur muss sich ihren Platz in der Kultur auf anderem Wege erobern. Da es gegenwärtig aber nur eine zentrale Sprache gibt, liegt zwischen dem Englischen und den übrigen Sprachen eine tiefe Kluft der Übersetzungspraxis.
Neues gelangt ins Englische fast ausschließlich durch Übersetzungen, die sich flüssig lesen und als Übersetzungen relativ unsichtbar sind. Damit im Zusammenhang steht, dass literarische Übersetzer bisher unbekannter Texte es – nicht anders als junge Autoren – sehr schwer haben, einen Verleger zu finden, der sie annimmt. Faktisch sind es nur wenige Bücher, die ihre Ankunft im Englischen den Bemühungen eines Übersetzers verdanken. Der Großteil der veröffentlichten internationalen Literatur wurde von Programmleitern der Verlagshäuser ausgewählt, zu deren Meinungsbildung internationale Literaturscouts, ausländische Verleger und
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