Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
Vom Netzwerk:
kommerzielle Interessen zugrunde.
    Das Urheberrecht ist eine Erfindung der Moderne. Im 18. Jahrhundert setzte sich die Idee vom geistigen Eigentum in Westeuropa und Amerika immer mehr durch. Die Existenz von eigentumsähnlichen Rechten auch an geistigen Leistungen wurde anerkannt und fand 1710 (in Großbritannien), 1791 (in Frankreich), 1795 (in den USA) und 1837 (in Preußen) ihren Niederschlag in Rechtsvorschriften von jeweils nationaler Geltung.
    Das internationale Copyright ist sogar noch jüngeren Datums. Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst in bilateralen Verträgen geregelt, wurden die modernen Normen für die Übersetzung literarischer Werke erstmals in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts kodifiziert. Die Berner Übereinkunft von 1886 und inzwischen das Welturheberrechtsabkommen der UNESCO legen fest, dass ein Verleger eine Übersetzung nur unter der Bedingung veröffentlichen darf, dass er das Recht dazu beim Urheber des Originaltexts erwirbt. Besitzt ein Verleger jedoch das Recht zur Veröffentlichung eines ausländischen Werks in Übersetzung, ist er alleiniger Inhaber der Rechte an der Übersetzung, solange die Ausgabe lieferbar bleibt. 3 Er hat das Monopol in der Zielsprache – bis die Schutzfrist abläuft und das Originalwerk gemeinfrei wird.
    Die internationale Schutzfrist für Urherberrechte ist jetzt auf 70 Jahre nach dem Tod des Autors oder – im Falle posthum publizierter Werke – nach der Erstveröffentlichung festgesetzt. Marcel Proust starb 1922 und der letzte Band von À la recherche du temps perdu wurde 1927 veröffentlicht. Franz Kafka starb 1924 und seine berühmtesten Werke kamen 1925 (Der Prozess), 1926 (Das Schloss) und 1927 (Amerika) heraus. Englischsprachige Verleger dieser Dauerbrenner verloren ihr Monopol gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. Freud starb 1939, daher sind seine Werke heute ebenfalls »gemeinfrei«. Verleger möchten sich im Allgemeinen Marktanteile an diesen Longsellern sichern, indem sie Neuübersetzungen in Auftrag geben. Deswegen sind in den vergangenen 20 Jahren ständig »neue« Prousts, Kafkas und Freuds erschienen.
    Die Rechtsbestimmungen, die den weltweiten Handel mit literarischen Texten regeln, sind der Grund dafür, dass der größte Teil der seit dem Ersten Weltkrieg veröffentlichten Werke nur in einer Übersetzung vorliegt. Neuübersetzungen werden bei den meisten Werken der Weltliteratur in der Regel erst zwei Generationen später möglich.
    Wer als Übersetzer mit älteren Werken oder mit Texten arbeitet, die nach Ablauf der 70-jährigen Schutzfrist gerade erst gemeinfrei geworden sind, muss widersprüchlichen Anforderungen gerecht werden. Damit seine Neuübersetzung als neuer Text urheberrechtlich geschützt werden kann, muss sie sich erkennbar von allen anderen Übersetzungen unterscheiden. Neuheit gewährleistet man am besten dadurch, dass man frühere Versionen links liegen lässt, denn die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Übersetzer unabhängig voneinander denselben Satz hinschreiben, ist gleich null. Allerdings muss der Autor einer Neuübersetzung auch erklären können, warum die neue Version besser ist als eine bereits vorhandene – und dafür muss er lesen, was bereits vorliegt. Die ältere Version kann hilfreich sein – sogar sehr nützlich –, funkt aber dazwischen, wenn man für knifflige Passagen des Texts neue Lösungen sucht. Ich beneide Übersetzer, die Klassiker neu übertragen, kein bisschen. Sie wandern auf einem schmalen Grat zwischen unbeabsichtigten Plagiaten und grundlosen Änderungen.
    In manchen Fällen ist eine Neuübersetzung mehr als gerechtfertigt, etwa wenn eine vollständige oder unzensierte oder verbesserte Fassung eines Texts auftaucht oder publiziert wird, der ursprünglich nur in einer zensierten oder fehlerhaften Form vorlag (das ist bei Bulgakows Der Meister und Margarita der Fall). Bei Werken, die jahrzehntelang Gegenstand intensiver Forschung waren, kann die Neuübersetzung Lesarten oder Deutungen einbeziehen, die bei der früheren noch nicht zur Verfügung standen. Als Begründung dafür, dass alte Übersetzungen »alle ein, zwei Generationen« durch neue ersetzt gehören, taugen diese Einzelfälle allerdings nicht. Die rechnerisch genaue Begründung liefern das internationale Copyright und die kommerziellen Interessen, die es weckt.
    Trotz dieser erheblichen Unterschiede zwischen Übersetzen und Neuübersetzen und zwischen Übersetzen ins Englische und in andere Sprachen unterscheidet sich das

Weitere Kostenlose Bücher