Was macht der Fisch in meinem Ohr
Unterdrückung für den Fortgang positiver Forschung sogar notwendig. Abgesehen davon, daß sie noch in der philosophierenden Logik befangen wäre, könnte die onto-phänomenologische Frage nach dem Wesen, das heißt nach dem Ursprung der Schrift für sich allein die historische und typologische Erforschung der Fakten lediglich paralysieren oder sterilisieren.
Es liegt auch nicht in unserer Absicht, diese Vorfrage, diese schlichte, notwendige und – in einem gewissen Sinn – leichtsinnige Frage nach der Berechtigung in Einklang zu bringen mit der Macht und der Wirksamkeit empirischer Untersuchungen, wie wir sie heute erleben. Nie zuvor haben die Genesis und die Struktur der Schrift so tiefgehenden, ausgedehnten und abgesicherten Nachforschungen Raum gegeben. Es geht nicht darum, diese Frage gegen diese Entdeckungen aufzuwiegen, bleibt doch die Frage selbst unwägbar. Wenn sie aber mit den Entdeckungen nicht vollständig in Einklang zu bringen ist, so vielleicht deshalb, weil ihre Verdrängung reale Konsequenzen für den Inhalt der Untersuchungen selber hat, die sich besonders im vorliegenden Falle immer um Probleme der Definition und des Anfangs bewegen. 8
Für den Inhalt dieses nicht eben verständlichen Auszugs ist es unerheblich, ob er »wie Deutsch klingt« oder nicht – wir haben an Celentanos Lied ja bereits gesehen, dass man völlig sinnfreie Wörterketten wie perfektes Englisch klingen lassen kann, wenn man – wie er bei dem Lied – sich beim Englischen auf den phonetischen Anklang beschränken will. Hier hingegen merkt man an einem Detail, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Französischen handelt – und zwar in der englischen und in der deutschen Version dieser Passage, in denen die ungewöhnlichen Pluralformen »researches« beziehungsweise »Untersuchungen« auffallen, die für das im Französischen übliche recherches stets verwendet wurden. Erkennen wird das allerdings nur der – deutsche beziehungsweise englische – Leser, der neben seiner eigenen Sprache auch Französisch gut beherrscht. Wer nur Englisch spricht, überliest die »researches« vielleicht sogar und erklärt sich die Pluralformen ganz anders oder nimmt sie als Eigenheit des Autors Derrida oder als Fachbegriffe hin. Ist ein Leser aber zweisprachig und außerdem mit französischer philosophischer Terminologie vertraut, liefert der zweite Satz des Zitats ihm weiteren Aufschluss, findet er dort doch »positive« (anstelle der eigentlich erwartbaren empirischen) Forschung für recherches positives in der Quelle. Was der französische Ausdruck bedeutet, steht nun wieder auf einem anderen Blatt: Er ist die Standardübersetzung von »empirical investigation« ins Französische.
Wir könnten nun behaupten, »positive Forschung« sei eine schlechte Übersetzung eines französischen Standardausdrucks, den der Übersetzer nicht als solchen behandelt hat, oder wir könnten meinen, dass sich hier etwas vom authentischen Klang des Originals erlauschen lässt. Und tatsächlich: Wenn ein deutscher – oder englischer – Ausdruck nicht erkennbar ungewöhnlich ist , können wir auch keinen Widerhall von nicht deutschem – oder nicht englischem – Klang ausmachen. Genauso klar ist aber auch, dass das »authentisch Französische« der Wendung uns entgeht, wenn wir nicht Französisch können.
Mit einer Rückübersetzung des ein wenig fremdelnden Ausdrucks »positive Forschung« in andere Sprachen, sogar ins Neugriechische, würden wir zum selben Ergebnis gelangen, das heißt begreifen, dass »empirische Forschung« gemeint ist. Ohne die Information, dass ein bestimmtes Werk aus der Sprache A übersetzt wurde, können Leser von Übersetzungen, die den Klang des Fremden bewahren wollen, nicht feststellen, um welche fremde Sprache es sich bei A jeweils handelt.
Die sich dem Fremden verpflichtenden Übersetzungsstile biegen das Englische so zurecht, dass es Einzelaspekte der Quellsprache widerspiegelt, Wortstellung oder Syntax etwa. Die angestrebte Wirkung – Fremdheit wird erkannt – lässt sich aber nur erzielen, wenn der Leser Vorkenntnisse über die ungefähre Gestalt und den Klang der Fremdsprache besitzt – im zitierten Fall der Übersetzung Derridas Vorkenntnisse über bestimmte Details des Wortschatzes der anderen Sprache.
Stellen Sie sich einen Roman vor, übersetzt aus einer Sprache wie Hindi, in der es drei Formen der Anrede eines Gegenübers gibt – tu, tum und ap , die vertrautem, verbindlichem oder förmlichem Umgang
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