Was macht der Fisch in meinem Ohr
die Bewahrung des Wissens der griechischen Medizin und Astronomie wurde. Dieser Prozess veränderte das Französische und brachte es voran, als es im 16. Jahrhundert Zielsprache für massenhafte Übersetzungen aus dem Italienischen wurde. Das befürwortete Schleiermacher mit Nachdruck für das Deutsche, als es sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Schätze der griechischen Philosophie erschloss. Als Zielsprache Umbauten unterworfen zu sein war auch das Schicksal, das dem Englischen seitens des von King James I. ernannten Übersetzungskomitees bereitet wurde. Viele alltägliche Wendungen des modernen Englisch gehen auf die »Authorized Version« der King-James-Bibel zurück und wurden dort in enger Anlehnung an die hebräische Bibel gebildet.
Die Übernahme englischer Begriffe aus dem Bereich der elektronischen Kommunikation ( Computer, Internet, surfen, Hardware, USB und so weiter) in fast alle Verkehrssprachen der Welt ruft uns heute ins Gedächtnis, was Sprachenhierarchie ist. Die Franzosen möchten daran lieber nicht erinnert werden, darum hat ihre Regierung 1996 die Commission générale de terminologie et de néologie eingesetzt, die sich dem Ansturm neuer Wörter entgegenstemmen soll. Vielleicht hat sie ja mehr Erfolg als Knut der Große, aber darauf wetten würde ich nicht.
In manchen Fällen mögen die Veränderungen der Zielsprache, die das Übersetzen prestigeträchtiger Werke aus Sprachen mit höherem Status mit sich bringt, den Empfängerkulturen aufgenötigt sein, meist trifft das aber nicht zu. In der Regel sind sie vielmehr Ausdruck der Wünsche und Bedürfnisse der übersetzenden Gesellschaft selbst. (Man braucht wohl nicht extra zu betonen, dass den im Dienst von King James stehenden Übersetzern keine »Hebräer« im Nacken saßen, die sie drängten, die englische Sprache umzubiegen und in die Formen der hebräischen Grammatik zu pressen.) Bei den Bibelübersetzungen des 20. Jahrhunderts liegt der Fall aber völlig anders. Die Akteure moderner Bibelübersetzungen in indigene Sprachen sind personell eng mit dem Missionsprojekt verflochten; viele von ihnen sind außerdem Amerikaner.
Sie übersetzen in Sprachen, die sie lange nach dem für den Sprachenerwerb kritischen Alter erlernt haben – sind also L2-Übersetzer, wie wir sie in früheren Kapiteln dieses Buchs genannt haben. Als solche sind sie so wenig dagegen gefeit, ungewollt komische oder beleidigende Wirkungen zu erzielen, wie die Schöpfer internationaler Beschilderungen in Hotels an der kroatischen Küste. Eugene Nidas Hauptanliegen war, dem vorzubeugen.
Das Bibelübersetzen in außereuropäische Sprachen begann mit der europäischen kolonialen Expansion bereits im frühen 17. Jahrhundert und wurde von Anfang an mit großem Einfallsreichtum betrieben. Albert Cornelius Ruyl, ein junger Kaufmann im Dienste der Niederländischen Ostindien-Kompanie und ungewöhnlich sprachbegabt, brachte sich bei Dienstantritt in Sumatra zunächst das Malaiische bei – eine regionale Kontaktsprache. Er verfasste eine Grammatik und übersetzte danach das Matthäusevangelium aus dem Niederländischen, wobei er das Malaiische ständig veränderte und adaptierte und Wörter aus dem Arabischen, Portugiesischen und Sanskrit einbaute, wenn er keinen entsprechenden Ausdruck im Malaiischen kannte. Und er tat noch etwas.
Wo im niederländischen Matthäusevangelium vom Feigenbaum die Rede ist, steht in Ruyls Version pisang – was auf Malaiisch Bananenbaum heißt. Die Verpflanzung war dadurch gerechtfertigt, dass es auf Sumatra keine Feigen gibt. Das eigentlich Bemerkenswerte daran ist aber, dass sich damit eine neue Ideologie in dem uralten Geschäft des abwärts -Übersetzens ankündigt. Ruyl legte den Grundstein für das Prinzip der kulturellen Ersetzung, das Nida 300 Jahre später zu einer Theorie ausbaute und propagierte.
Vom Hebräischen ins Griechische, vom Griechischen ins Lateinische, vom Syrischen ins Arabische und so weiter: Fehlte in der Empfängerkultur das Wort für ein bestimmtes Ding, bekam sie ein neues – das Wort der Quellsprache, an seine neue sprachliche Heimat angepasst. Nicht so auf dem Weg vom Niederländischen ins Malaiische. Die Empfängersprache bekam kein neues Wort für ein neues Ding. Sie bekam ersatzweise ein anderes Ding und dazu das bereits existierende Wort.
Douglas Hofstadter fragte einmal: »Wie sagt man ›jazzercise‹ auf Aramäisch?« Das war als Gedankenspiel gemeint, nicht als Frage danach, was die kleine Gruppe der
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