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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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die das Fasten im Alten Testament hat, sind zwar unerlässlich, will man afrikanischen Lesern nicht die falschen Botschaften vermitteln, gehen jedoch zwangsläufig mit starken Eingriffen in die erzählte Geschichte einher. Nidas Aufgabe war, bei der Herstellung von Texten zu helfen, die in ihrer Wirkung einer Bibel entsprachen, nicht verstanden als Heilige Schrift, sondern als Fundort einer heiligen Geschichte.
    Nida förderte auch die Einbeziehung von Muttersprachlern indigener Völker als vollberechtigte Partner und, wo immer möglich, als treibende Kraft bei geplanten Bibelübersetzungen. Dies deshalb, weil L2-Sprecher die Eignung kultureller Ersetzungen nicht immer verlässlich beurteilen können. Wenn Akzeptanz das vorrangige Ziel ist, sind L1-Sprecher viel besser in der Lage, etwas zu erfinden und anzupassen. Ihr intuitives Wissen um das, was akzeptabel ist, gibt den Ausschlag.
    Nidas Beharren auf adaptiven Übersetzungen hat zwei Seiten. Es fußt zum einen auf der – mit anderen Christen geteilten – Überzeugung, dass zu einer religiösen Wahrheit jedermann Zugang haben muss, gleich welcher Kultur und Sprache. Ebenso wichtig aber ist Nidas Anliegen, die Kulturen zu achten, die von der Arbeit der Bibelübersetzer unweigerlich beeinflusst und verändert werden. Adaptives Übersetzen ist ein Kompromiss zwischen den beiden gegensätzlichen Bestrebungen. Es trägt dazu bei, dass die Empfängerkultur etwas vollkommen Neues aufnehmen und integrieren kann, weil das mit bereits bekannten Wörtern geschieht.
    Nidas Standpunkt ist in der Übersetzungswissenschaft nicht populär, insbesondere nicht bei Vertretern des Fachs, die sich hauptsächlich mit literarischen Übersetzungen befassen. Ein einschlägiger Einwand könnte lauten, es sei doch anmaßend, bei der Übertragung eines nur mündlich überlieferten epischen Gedichts aus einer afrikanischen Sprache ins Englische den »baobab« bloß deshalb durch eine »Kastanie« zu ersetzen, weil Affenbrotbäume in Englands schönen grünen Landen nirgends zu sehen sind. Solche Pikiertheiten gehen jedoch am Kern der Sache vorbei, und der ist folgender: Man verfährt beim aufwärts -Übersetzen in der Regel anders als beim abwärts -Übersetzen. Es leuchtet nicht ein, warum eine einzige Verfahrensweise oder ein Prinzip für das so vielgestaltige Terrain des Übersetzens gelten soll oder muss. Die Hierarchie zwischen Quell- und Zielsprache ist nicht der einzige Faktor, der die von Übersetzern angewendeten Verfahren beeinflusst, seine Auswirkungen darauf, wie sie ihre Arbeit tun, sind aber erheblich.
    Ersetzungen durch andere Kulturtatsachen können auch beim aufwärts -Übersetzen verwendet werden, dann aber mit anderer Wirkung. In seinen einflussreichen Übertragungen chinesischer und japanischer Lyrik und Prosa gibt Arthur Waley uns doch sehr englische »Lords« und »Ladies« anstelle der ganz anderen sozialen Schichten in den alten Gesellschaften des Fernen Ostens. Die Gründe für Waleys Ersetzungen sind genauso komplex wie Nidas Billigung der »Kakadufedern« anstelle von »Schnee«. Zum einen ersparen »Lords and Ladies« es englischen Lesern, allzu viele unverständliche Informationen über eine Kultur aufzunehmen, an der sie kein gesteigertes Interesse haben. Zum anderen wirkt die verwendete heimische Markierung für hohen Rang in die fremde Gesellschaft zurück und stattet sie mit dem Kennzeichen für Prestige aus, sodass sich das Kennenlernen doch lohnt. Die strategischen Entscheidungen von Übersetzern haben immer zwei Seiten.
    Am weitesten vom Ersetzen durch andere Kulturtatsachen entfernt ist der absichtsvolle Eingriff in die Zielsprache. Auch dafür finden wir bei der Bibelübersetzung wieder extreme Beispiele. Im 20. Jahrhundert gab es mehrere wissenschaftliche Projekte zur Neuübersetzung der Bibel mit dem Ziel, Lesern, die sie in adaptierter Form bereits kannten, die Heilige Schrift in ihrer Fremdheit zurückzugeben. Die Kontext-Gruppe der Society of Biblical Literature beispielsweise bringt vor, dass die Bibel »kein westliches Buch« und »nicht für uns geschrieben« ist. 6 Eine Sprache, so hört man es aus der Gruppe, könne nicht aus dem sozialen Kontext herausgelöst werden, in dem sie verankert ist, auch sei der Nahe Osten des Altertums für uns ein vollkommen fremdes Land, weshalb man die hebräische Bibel nicht vollständig wiedergeben könne, wenn man sie so übersetzt, wie es heute für sinnvoll erachtet wird. 7 Mit ihrem Programm der Verfremdung

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