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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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biblischer Texte steht die Gruppe in der Nachfolge von Martin Buber und Franz Rosenzweig, jüdischen Theologen, die das Alte Testament in den zwanziger Jahren neu ins Deutsche übersetzten, um dem, worin sie die poetische, religiöse und gemeinschaftsstiftende Besonderheit ihres Glaubens sahen, die Form zurückzugeben, die er in seinem Anfang hatte. 8 Das wollen sie dadurch erreichen, dass sie den repetitiven Wortgebrauch und die Klangstrukturen des Hebräischen auf Kosten leichter Lesbarkeit nachbilden. Im 2. Buch Mose 3,14–15 heißt es in der revidierten Fassung der Lutherbibel aus dem Jahr 1984 noch relativ leicht verständlich:
    Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach. So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein«, der hat mich zu euch gesandt.
    Und Gott sprach weiter zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name auf ewig, mit dem man mich anrufen soll von Geschlecht zu Geschlecht.
    So lautet dieselbe Stelle in der Buber-Rosenzweig-Übersetzung, die dem Zeilenbruch des Hebräischen und vielen anderen seiner Merkmale Rechnung trägt:
    Gott sprach zu Mosche:
    Ich werde dasein, als der ich dasein werde.
    Und sprach:
    So sollst du zu den Söhnen Jisraels sprechen:
    ICH BIN DA schickt mich zu euch
    Und weiter sprach Gott zu Mosche:
    So sollst du den Söhnen Jisraels sprechen:
    ER,
    der Gott eurer Väter
    der Gott Abrahams, der Gott Jizchaks, der Gott Jakobs,
    schickt mich zu euch.
    Das ist mein Name in Weltzeit,
    das ist mein Gedenken, Geschlecht für Geschlecht.
    Das Anliegen von Nida und Buber war, aus einer »Sprache der Wahrheit« in eine Volkssprache zu übersetzen – beide übersetzten abwärts , ebenso Luther, Ruyl und die Übersetzer der King-James-Bibel. Trotz gleicher Übersetzungsrichtung unterscheiden sie sich aber dadurch, dass ihre jeweiligen Sprachpaare nicht den gleichen Rang in der Hierarchie der Weltsprachen einnehmen: Hebräisch, Deutsch, Niederländisch und Malaiisch besetzen Plätze, die nicht wechselseitig austauschbar sind. Der wichtigste Unterschied ergibt sich aber aus den Vorstellungen, die sie von den Bedürfnissen und Wünschen ihres jeweiligen Publikums hatten. Für Ruyl gab den Ausschlag, dass die im 17. Jahrhundert auf Sumatra lebenden Malaien über die biblische Geschichte und ihre allgemeine Bedeutung unterrichtet wurden; nach Bubers Ansicht hatten die Juden der Weimarer Republik Aufklärung über den authentischen Glauben der jüdischen Ursprungsgesellschaft nötig. Diese Unterschiede führen zu kuriosen Salti und Loopings in der Geschichte des Übersetzens, deren kurvenreichen Verlauf keine Theorie so recht abbilden kann.
    Bubers »verfremdende« Methode ist kennzeichnend für Verfahren des abwärts -Übersetzens – vom Griechischen ins Syrische, vom Italienischen ins Französische und vom Lateinischen in die Mehrzahl der westlichen Sprachen –, die dauerhafte Spuren in der Empfängersprache hinterlassen haben. Die stark auf Adaption setzende Methode Ruyls und Nidas wiederum findet man häufiger beim aufwärts -Übersetzen – aus Volkssprachen, seien sie regional begrenzt oder exotisch, in große Sprachen, die nicht allzu viel über die Quellkultur wissen wollen. Die moderne Bibelübersetzung hat eine Umkehrung uralter Trends bewirkt.
    Da er so weit wie nur möglich Rücksicht auf die (fremde) Zielkultur nimmt, wendet der von Nida für die Bibelübersetzung empfohlene abwärts -Stil Verfahren an, die eher beim aufwärts -Übersetzen zum Tragen kommen, wohingegen der exotisierende Stil Bubers (und nach ihm Henri Meschonnics in Frankreich), der in den letzten Jahrtausenden eher typisch für das abwärts -Übersetzen war, von überängstlicher Rücksicht auf die grundlegende Andersartigkeit einer inzwischen fast unzugänglichen Kultur und Sprache bestimmt ist.
    Beide Methoden wollen Respekt zollen, wo Respekt geboten ist: In der grundsätzlichen Motivation besteht kein Widerspruch. Und während Buber modernen deutschen Sprachnormen kaum Beachtung schenkt, hält Nida die Besonderheiten von Schnee für nebensächlich, wenn es vorrangig darum geht, die Botschaft zu vermitteln.
    Inwieweit diese beiden Auffassungen vom Übersetzen die Empfängersprache und -kultur beeinflussen, hängt im Grunde weder von ihren methodischen Vorzügen noch vom Können ihrer Anwender ab. Es hängt ab vom Umfang ihrer Anwendung. Die

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