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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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Computer mithilfe von Menschen übersetzen, sind große Errungenschaften, ohne die der globale Waren- und Informationsaustausch in den vergangenen Jahrzehnten bei Weitem nicht so glatt verlaufen wäre. Noch bis vor Kurzem waren sie die Domäne der Sprachprofis. Dabei entstanden gewaltige Mengen von maschinenlesbaren Übersetzungsprodukten (übersetzte Texte, denen ihre Quellen beigegeben sind). Mit der Erfindung des Internets und seiner rasanten Ausbreitung seit den neunziger Jahren wurde dieser immense Korpus für jedermann kostenlos zugänglich, der einen Zugang besitzt. Und dann betrat Google die Bühne.
    Mit Software auf der Grundlage von mathematischen Modellen, die in den achtziger Jahren ursprünglich von Forschern bei IBM entwickelt wurden, hat Google ein Tool für die automatische Übersetzung geschaffen, das sich von allen anderen unterscheidet. Es baut nicht auf den von Warren Weaver entwickelten Vorstellungen auf, und es hat nichts mit Interlingua oder unveränderlichen Bedeutungskernen zu tun – es schert sich überhaupt nicht um Bedeutung. Google Translate behandelt eine sprachliche Wendung nicht als etwas, was dekodiert werden muss, sondern als etwas, was wahrscheinlich schon einmal geäußert wurde. Mit seiner gewaltigen Rechenleistung durchsucht es im Bruchteil einer Sekunde das Internet danach, ob der Ausdruck zusätzlich zu dem gegebenen Sprachenpaar noch in einem anderen Text vorkommt. Der Korpus, den Google scannt, enthält alle Dokumente, die die EU von 1957 an in zwei Dutzend Sprachen veröffentlicht hat, alles, was die UNO und ihre Organe in sechs Sprachen schriftlich vorgelegt haben, und riesige Mengen anderen Materials, angefangen von Akten internationaler Tribunale bis hin zu Geschäftsberichten von Unternehmen und allen zweisprachigen Artikeln und Büchern, die Einzelpersonen, Bibliotheken, Buchhändler, Autoren und wissenschaftliche Fachbereiche ins Netz gestellt haben. Google Translate analysiert die Entsprechungen in den Sprachpaaren, die in den millionenfach vorliegenden Dokumenten bereits ermittelt wurden, und wählt mit statistischen Methoden diejenigen aus, die mit großer Wahrscheinlichkeit eine akzeptable Version zur Suchanfrage bieten. In der Mehrzahl der Fälle klappt das. Es ist ziemlich verblüffend. Google Translate ist verantwortlich dafür, wenn die Chancen für automatisches Übersetzen, das Warren Weaver seinerzeit noch für ein Luftschloss hielt, wieder optimistisch gesehen werden.
    Ohne den bereits existierenden riesigen Übersetzungskorpus hätte GT nicht an den Start gehen können. Es zehrt von Millionen Arbeitsstunden, in denen Übersetzer die Texte erstellt haben, die es nun durchsucht. Googles eigenes Werbevideo geht darauf jedoch in keiner Weise ein. Derzeit bietet es Hin- und Her-Übersetzungen zwischen 58 Sprachen an, das heißt 3306 einzelne Übersetzungsdienste, mehr als in der bisherigen Menschheitsgeschichte jemals verfügbar. Die meisten dieser Übersetzungsrichtungen – Islandisch → Farsi, Jiddisch → Vietnamesisch und Dutzende mehr – sind als Novum direkt Google Translate entsprungen: Es gibt keine Geschichte des Übersetzens zwischen ihnen und daher auch keine Textpaare, weder im Web noch sonst. In der Onlinepräsentation seines Diensts weist Google zwar darauf hin, dass die Übersetzungsqualität angesichts der enormen Unterschiede zwischen den Sprachen, die sein Programm durchsucht, von den jeweiligen beiden Sprachen abhängt. 5 Es verliert allerdings kein Wort darüber, dass GT genauso ein Gefangener der globalen Übersetzungsströme ist wie wir alle. Mit seinem bewundernswert cleveren Verfahren der Wahrscheinlichkeitsberechnung kann es nur deshalb 3306 Übersetzungsrichtungen anbieten, weil es genau die Mittel verwendet, die schon immer für die interkulturelle Kommunikation genutzt wurden: Relais- oder Mittlersprachen. Nicht weil Google seinen Firmensitz in Kalifornien hat, ist Englisch die wichtigste Mittlersprache. Wenn man mit statistischen Methoden die wahrscheinlichste Entsprechung zwischen Sprachen berechnet, die noch nie zuvor direkt verglichen wurden, muss man als Pivot eine Sprache nutzen, die Entsprechungen zur Quell- und zur Zielsprache liefern kann.
    Durch den Dienst, den Google anbietet, werden die Verhältnisse zwischen den Sprachen in einer Weise eingeebnet und zugleich aufgefächert, die noch die kühnsten Träume der leidenschaftlichsten Verfechter der EU-Sprachenparität übertrifft. Das gelingt freilich nur deshalb, weil

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