Was macht der Fisch in meinem Ohr
ist noch niemand dahintergekommen, wie man einem Rechner beibringt, wovon ein Satz handelt. Ein klassisches, für Rechner unlösbares Rätsel ist, wie man den Wörtern in den beiden folgenden Sätzen die richtigen Bedeutungen zuordnet: »Der Stift ist im Kasten« und »Der Kasten ist im Stift«. Um sie zu verstehen, muss man eine Vorstellung von der relativen Größe von Gegenständen in der wirklichen Welt (von Kästen, die Stifte enthalten, und von dem Bauwerk eines Stifts beispielsweise) haben, die Wörterbucher und syntaktische Regeln nicht vermitteln. In den sechziger Jahren gab der große Mathematiker Jehoschua Bar-Hillel, der extra ans Massachusetts Institute of Technology geholt worden war, um dort die »fully automated high-quality translation« oder FAHQT zu entwickeln, gereizt seinen Rückzug bekannt:
Ich habe wiederholt darzulegen versucht, dass der Wunsch nach einer reinen Automaten-Übersetzung schon im Hinblick auf eine maschinelle Ermittlung der syntaktischen Strukturen eines gegebenen quellsprachlichen Satzes illusorisch ist … Es gibt sehr einfache englische Sätze – und dasselbe gilt gewiss für jede andere natürliche Sprache –, die in bestimmten sprachlichen Zusammenhängen … jedermann, der über ausreichende Kenntnis der beteiligten Sprachen verfügt, unmissverständlich übersetzen kann, ich weiß aber von keinem Programm, das eine Maschine befähigte, solche Sätze eindeutig wiederzugeben, es sei denn rein zufällig und ad hoc … 4
Danach war bald Schluss mit schnellem Geld von Stiftungen, die Forschungen auf dem Gebiet finanzierten. Mit Gründung der Europäischen Union 1957 aber gab es einen neuen politischen Impuls – und eine neue Finanzierungsquelle – für die Entwicklung der Werkzeuge, die Bar-Hillel für unmöglich hielt. Die Ansprüche wurden von Übersetzungsautomaten auf plausiblere Vorgaben heruntergeschraubt. Mit zunehmender Rechenleistung und abnehmender Größe wurden Computer zuverlässigere Helfer bei ermüdenden Arbeiten, etwa der Kontrolle, ob ein bestimmter Begriff überall dort, wo er in einem langen Dokument vorkommt, gleich übersetzt worden ist. Computer konnten für das Erstellen und Speichern nicht nur von Fachwörterbüchern, sondern von ganzen Wendungen und Ausdrücken genutzt werden. Die Ära der zwar nicht vollständig automatisierten, aber doch computerassistierten Übersetzung – CAT – brach an. Privatunternehmen entwickelten eigene Systeme, denn wenngleich Übersetzungsdienste von transnationalen Organisationen wie der EU am stärksten nachgefragt wurden, hatten große Flugzeug- und Automobilbauer sowie die Erzeuger anderer für den Weltmarkt bestimmter Waren ebenfalls Bedarf an diesen Hilfsmitteln.
Mit CAT lassen sich gute Ergebnisse leichter erzielen, wenn die zu übersetzenden Texte nicht der natürlichen, lebendigen Sprache entstammen, sondern in einem restringierten Kode verfasst sind. In einem Betriebshandbuch für ein Flugzeug steht nur eine Untergruppe aller auf Englisch möglichen Ausdrücke. Um die vielleicht einhundert benötigten Sprachversionen des Handbuchs mittels automatischer Übersetzung zu produzieren, braucht man den Rechner nicht für die Verarbeitung von Speisekarten, Songtexten oder Partygeplauder auszurüsten – nur für die Sprache des Flugzeugbetriebs. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man bringt den Eingabetext zuerst in eine festgelegte sprachliche Form, die das Programm verarbeiten kann, und lässt den Ausgabetext von fachkundigen Übersetzern nachbereiten, um zu gewährleisten, dass er in der Zielsprache einen Sinn (und zwar den richtigen) ergibt. Oder aber man schult die Verfasser des Betriebshandbuchs in einer restringierten Sondersprache – in Boeinglisch, wenn man so will –, die das Entstehen von Mehrdeutigkeiten und Tücken beim Flugzeugbetrieb verhindern soll. Dies ist heute weltweite Praxis. Die meisten für den Weltmarkt produzierenden Unternehmen haben hauseigene Vorlagen entwickelt, die Rechner bei der Übersetzung ihres Materials unterstützen sollen. Wir sind von Rechnern, die Menschen beim Übersetzen helfen, dahin gekommen, dass Menschen Rechnern aushelfen. Das ist nur eine Wahrheit über das Übersetzen, die zeigt, dass die Sprache und ein Baukasten wirklich zweierlei sind. Sprachen lassen sich immer so formen und gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Menschen dienen, sogar wenn das bedeutet, sie in eine computerfreundliche Form zu pressen.
Dass Menschen mithilfe von Computern und
Weitere Kostenlose Bücher