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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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Verkehrssprache – des Esperanto beispielsweise – für die Verbreitung wichtiger Informationen hat eine Reihe kostspieliger und schwieriger Übersetzungsaufgaben entstehen lassen, die mit einem bisher ungekannten Zeitdruck einhergehen. Heute, wo Nachrichten nicht mehr per Kurier, sondern elektronisch übermittelt werden, drängt sich die Frage auf, ob die Hauptarbeit nicht gleichfalls von Übersetzungsmaschinen erledigt werden könnte.
    Obwohl sie noch in den Kinderschuhen steckt, hat die maschinelle Übersetzung bereits eine ereignisreiche und wechselvolle Geschichte hinter sich. Sie begann unter dramatischen historischen Umständen und als Reaktion auf ein hauptsächlich politisches Bedürfnis. Sie entstand, anders als bei der Sprachennorm der Europäischen Union, aber nicht durch einen ausdrücklichen Akt politischen Willens, sondern durch das Klima des Schreckens zu Beginn des Kalten Kriegs. Die Vereinigten Staaten hatten die Atombombe gebaut und eingesetzt. Vorläufig besaßen sie ein Monopol auf diese schreckliche Waffe. Wie lange würde dieses Monopol Bestand haben? Wann würde die Sowjetunion gleichziehen? Womöglich ließ sich die Antwort ja erraten, wenn man alle in der UdSSR veröffentlichten wissenschaftlichen Zeitschriften durchkämmte und nach Hinweisen auf den Stand des Wissens in den einschlägigen Disziplinen suchte. 1 Diese Zeitschriften waren auf Russisch. Die USA mussten entweder eine wahres Heer von russisch-englischen Fachübersetzern ausbilden – oder eine Maschine erfinden, die diesen Job für sie übernahm.
    Es dauert geraume Zeit, für eine nicht allgemein bekannte Sprache eine große Gruppe von Übersetzern heranzubilden. Woher sollte man 1945 Übersetzer nehmen, die im Englischen heimisch waren und gleichzeitig hervorragende Kenntnisse der russischen Wissenschaften besaßen? Folglich richtete sich das Interesse der Behörden auf Maschinen. Für die Annahme, sie könnten helfen zu ermitteln, ob die Sowjetunion zum Bau einer Atombombe fähig war, gab es gute Gründe.
    Der Zweite Weltkrieg hatte große Fortschritte in der Kryptografie bewirkt, in der Entwicklung und Entschlüsselung von Geheimkodes. Mit statistischen Methoden konnte man sogar Botschaften entschlüsseln, deren Ausgangssprache unbekannt war. Durch den erstaunlichen Erfolg der Kodeknacker von Bletchley Park in England kam bei Wissenschaftlern die Frage auf, ob Sprache nicht selbst als Kode behandelt werden konnte. In einem berühmten Memorandum, verfasst im Juli 1949, fand Warren Weaver, damals in leitender Funktion für die Rockefeller Foundation tätig, es sei
    sehr reizvoll zu behaupten, dass ein auf Chinesisch geschriebenes Buch nichts anderes ist als ein englisches Buch, kodiert »in chinesischem Kode«. Wenn wir geeignete Verfahren besitzen, mit denen sich fast alle kryprografischen Probleme lösen lassen, kann es dann nicht sein, dass wir, ihre richtige Auswertung vorausgesetzt, bereits geeignete Übersetzungsverfahren besitzen? 2
    Weaver verfolgte die Pionierarbeit von Claude Shannon und anderen in den noch jungen Disziplinen der Informationstechnologie und der Kybernetik und erkannte, dass sich mit einer Auffassung von Sprache als Kode gewaltige Arbeitsfelder für die Mathematiker, Logiker und Ingenieure auftaten, die an den neuen und aufregenden, erst vor Kurzem auf den Namen Computer getauften Rechenmaschinen saßen. »Sprache als Kode« zu begreifen war jedoch nicht nur deshalb so reizvoll, weil man ahnte, dass hier interessante Jobs für superkluge Burschen warteten.
    Mit einem Kode oder einer Chiffre kann man eine Information so abbilden, dass sie nur lesbar ist, wenn man den (geheimen) Schlüssel zu dem Kode kennt. So ausgeklügelt der Schlüssel, so kompliziert der Algorithmus sein mag, der die »Quelle« in den »Kode« verwandelt, besteht doch immer ein erschließbarer Zusammenhang zwischen dem Kodierten und der Kodierung selbst. Wenn eine Sprache ihrerseits ein Kode dieser Art ist, was ist dann in ihr kodiert? In der langen westlichen Tradition des Nachdenkens über Sprache seit den Griechen gibt es hierauf nur eine Antwort, und die lautet: Bedeutung (manchmal »Gedanke« genannt). Eine Übersetzungsmaschine müsste von dem in Sprache A vorliegenden Ausdruck alles das entfernen, was »Kode« ist, und auf das Eigentliche zugreifen, was in ihm kodiert ist, seine tatsächliche, irreduzible, schlichte und einfache Bedeutung. Im Grunde ist es nichts anderes als die Wiederkehr der alten Vorstellung, Sprache sei

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