Was macht der Fisch in meinem Ohr
das Kleid des Gedankens. Weaver selbst schlug folgende Analogie vor:
Man stelle sich vor, Menschen lebten in einer Reihe von hohen, abgeschlossenen Türmen, die auf einem gemeinsamen Fundament stehen. Wenn sie miteinander kommunizieren wollen, rufen sie einer dem anderen etwas zu, jeder aus seinem abgeschlossenen Turm. Mit dem Ruf auch nur durch die Mauern der Nachbartürme zu dringen ist schon nicht einfach, und die Kommunikation geht schleppend vor sich. Wenn aber einer in seinem Turm nach unten geht, befindet er sich in einem großen offenen Kellergeschoss, das alle Türme verbindet. Hier kann er sich leicht und sinnvoll mit den Personen verständigen, die ebenfalls ihren Turm hinabgestiegen sind. 3
Dieser Traum von der »leichten und sinnvollen Verständigung« mit unseren Mitmenschen in dem »großen Kellergeschoss«, dem gemeinsamen Fundament allen menschlichen Lebens, ist Ausdruck einer alten und im Kern religiösen Auffassung von Sprache und Bedeutung, der zu entrinnen sich – ungeachtet ihres manifest hypothetischen Charakters – als äußerst schwierig erwiesen hat. Denn welche Sprache würden die Menschen in dem »großen Kellergeschoss« zur Verständigung nutzen? Die Sprache der reinen Bedeutung. In späteren Etappen des Abenteuers von Maschinenübersetzung und moderner Linguistik wurde das, was in allen Sprachen kodiert ist, als »Interlingua« oder »unveränderlicher Kern« von Bedeutung bezeichnet.
Die Aufgabe, die sich die Pioniere der maschinellen Übersetzung stellten, war daher fast identisch mit der Aufgabe des Übersetzers, wie sie vielfach von modernen Theoretikern und Philosophen beschrieben wird: jene rein hypothetische Sprache aufzuspüren und umzusetzen, die letztlich alle Menschen im Keller ihrer Seele sprechen.
Wie sollten Maschinen das anstellen? Geistiges Rüstzeug, das für diesen Zweck wie gemacht schien, gab es bereits in Hülle und Fülle. Seit die Römer ihre Jugend im Lesen und Schreiben des Griechischen unterrichteten, trichterte man Sprachenschülern im Westen ein, es gehe dabei um zweierlei: sich den Wortschatz der Fremdsprache anzueignen und ihre Grammatik zu erlernen. Deshalb haben wir zusätzlich zu den Grammatiklehrbüchern mit den Regeln, nach denen die »Wörter« des Wortschatzes zu akzeptablen Reihen verknüpft werden können, noch zweisprachige Wörterbücher. Unserer alten und ungetrübten Sprachtheologie ist Sprache ein Baukasten – in dem einen Teil Muttern, Schrauben, Träger, Balken, Zahnräder und perforierte Leisten (sagen wir: Präpositionen, Verben, Substantive, Adjektive, Partikel und Bestimmungswörter), in dem anderen Anleitungen dazu, wie man die Bauteile montiert. Eine Mutter passt auf eine Schraube, nicht aber auf ein Zahnrad, und ein Verb dockt an ein vor ihm stehendes Subjekt und ein ihm folgendes Objekt an …
In den Anfängen des Maschinenübersetzens war es theoretisch (und schon bald auch praktisch) möglich, auf dem Rechner eine Gruppe von Wörtern getrennt nach den grammatischen Kategorien zu lagern, die Griechen und Römer ersonnen hatten. Ebenso konnte man Wörter in zwei Gruppen getrennt lagern, eine für das Russische, eine für das Englische, und dem Rechner sagen, welche englischen Wörter welchen russischen entsprechen. Heikler war schon der in Weavers Gleichnis implizit enthaltene Vorschlag, die Menschen aus ihren einzelnen Türmen doch herunterzuholen in das gemeinsame Kellergeschoss – das heißt, einem Rechner zu sagen, was er machen muss, um die Bedeutung eines Satzes aus der Form des Satzes herauszuschälen. Dazu müsste der Computer zunächst einmal die gesamte Grammatik einer Sprache kennen. Er müsste gesagt bekommen, worin sie besteht. Aber wer kennt schon die gesamte englische Grammatik? Jeder, der eine Sprache lernt, merkt schnell, dass Regelmäßigkeiten eines Sprachsystems häufig von Ausnahmen arbiträrer Art außer Kraft gesetzt werden. Jeder muttersprachliche Verwender einer Sprache weiß, dass er grammatische »Regeln« brechen kann (und tut es auch). Die vollständige Beschreibung einer Sprache bleibt Anspruch, ist aber nicht Wirklichkeit. Das ist einer der beiden Gründe, warum die erste große Zeit der maschinellen Übersetzung in eine Sackgasse führte. Der zweite ist, dass sogar Menschen, bei denen man eine umfassende Beherrschung der Grammatik ihrer Sprache voraussetzen kann, außerdem noch über jede Menge Weltwissen verfügen müssen, damit sie die Bedeutung eines Ausdrucks verstehen – und bis jetzt
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