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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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übergehenden Räume — Schlafzimmer und Küche —, hopste in Schlangenlinien zwischen den überall herumliegenden und — stehenden schwarzen Instrumentenkoffern hindurch.
    »Ich dachte, du hättest gesagt, der Besitzer würde das ganze Zeug hier ausräumen!« sang sie im Takt zu ihren Hüpfern.
    »Jaah.« Vic faßte sie von hinten um die Taille und stoppte ihr Gewirbel. »Aber als ich sah, was in den Koffern ist, habe ich meine Meinung geändert.« Er streckte um sie herum die Arme nach vorn und fummelte an dem Schloß des Koffers direkt vor ihnen; der Deckel sprang hoch und enthüllte eine von lila Plüschstoff umschmiegte funkelnde Gibson Howard Roberts Fusion, die Gitarre, die Django Reinhardt spielte und die förmlich barst vor musikalischem Potential.
    »Gott, ist die schön«, hauchte Emma und wandte den Kopf; ihre Lippen berührten Vics Hals.
    Vic nickte, löste seine Hände von ihrer Taille, ging von Koffer zu Koffer und öffnete die Verschlüsse: hier eine türkise Guild Starfire, dort eine silberne Beck Pedalstahl, gegen den muffigen Spülstein gelehnt ein funkelnder Bosse 6 Saiten Bass, den Weg zum halbgeöffneten, auf die Dulwich Road hinausgehenden Schiebefenster versperrend eine schwarze Rickenbacke 335, wie die, die der junge Pete Townshend gespielt hatte. Und zum Schluß, in einem aufrecht direkt in der Zimmermitte stehenden Koffer, eine halbakustische Gretsch 1600, der sich Chet Atkins verschrieben hatte und deren Hochglanzkorpus aus Ahorn in der Farbe dieses Holzes schimmerte, einem tiefen Rothko-Rot.
    »Die hier, das ist meine«, sagte Vic, und kniete sich wie im Gebet davor.
    »Wie meinst du das, deine ?« fragte Emma lachend.
    »Na...«, sagte er und verschloß den Koffer wieder. »Ich kann mir die zweieinhalbtausend, die Francis dafür will, im Augenblick nicht leisten. Aber er hat mir versprochen, sie für mich zurückzulegen, bis ich das Geld habe.«
    »Warum sollte er das tun?« fragte Emma unschuldig.
    »Daß ich einmal ein winzig kleiner Rockstar war, hat mir wenigstens ein Gutes eingebracht, nämlich, daß mir Leute wie Francis immer noch gern einen Gefallen tun.«
    Emma sah ihn an, lächelte liebevoll über seine Kleinjungenfreude an diesem winzigen Stück Macht. Das Zimmer schien wie von Sternen erleuchtet durch die Tausende Lichtreflexe, die die Strahlen der einzigen, nackten Glühbirne unter der Decke auf die Gitarrenhälse warfen. Sie küßten sich, wankten engumschlungen in den anderen Raum, wo sie die elektrische Mandoline auf der ausgezogenen Couch beiseite schoben und sich ausgiebig auf den Nylonbettüchern liebten. Der Glanz der Instrumente um sie herum machte die Schäbigkeit der Einrichtung wett.

    »Warum hast du dir einen Engel machen lassen«, fragte Emma später, während sie mit dem Fingernagel das Tattoo nachzeichnete, das von Vics linker Schulter auf seinen Bizeps reichte: Es war eine androgyne Gestalt in dunkelblauen Gewändern mit geschlossenen Flügeln und einem goldenen Gesicht, eher wie ein mittelalterliches Heiligenbild als wie ein Softrock-Plattencover, kalt und ziemlich außerirdisch.
    »Ich hab es dir doch erzählt...«
    »Ich weiß es nicht mehr. Ich glaube, als du das erste Mal dein Hemd auszogst, war ich mit den Gedanken woanders.«
    Er lächelte geschmeichelt. »Weil ich’s mir in San Francisco habe machen lassen, auf unserer einzigen US-Tour. In einem Schwulenladen.«
    »Wie schwul?«
    »Nur in Albanien könntest du so viele buschige Schnurrbärte auf einem Fleck sehen.« Er strich sich nachdenklich über das Kinn. »Den Engel habe ich mir ausgesucht, weil alle anderen Tattoo-Muster, die der Typ machte, reinster Schwulenkitsch waren.«
    »Hat es weh getan?«
    »Jaaah. Ich glaube. Ich war ein bißchen abgedreht in dem Moment.« Er grinste leicht verlegen; sie zog sarkastisch die Brauen hoch und nickte ein Wundert-mich-nicht. »Aber hinterher hat es weh getan, und jetzt auch noch manchmal. Jedenfalls juckt es ab und zu — besonders im Sommer... au!« Er hörte auf, die Fadenrisse an der Decke anzustarren, und sah Emma an. Sie hatte seinen Oberarm zwischen die Hände gepreßt und quetschte des Fleisch zusammen. »Was machst du da?«
    »Ich versuche ihn fliegen zu lassen.« Sie nahm ihre Hände fort. »Du hättest dir was aussuchen sollen, das sich mit dir zusammen bewegt. Mein Onkel Jerry hatte zwei Männer auf den Hinterbacken, die Kohle schaufeln.«
    Er sah ihr in die erinnerungsseligen Augen. »Wußte die Polizei von Cork, daß Onkel Jerry dir seinen

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