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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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>Eine Tüte Nüsse< zuschreien. Sie würde sofort in die Küche rennen, das Blech mit den Fleischpasteten aus dem Ofen reißen, damit sie Platz für ihren Kopf hat. Wobei mir einfällt...«
    Vic blieb keine andere Wahl, als sich einen Moment hinzusetzen.
    »...daß ich das ganze Theater, das alle um Sylvia Plath machen, sowieso nie verstanden hab. Na ja — andererseits hat Ted Hughes wieder geheiratet, und seine zweite Frau hat sich auch umgebracht. Auf genau dieselbe Art!«
    »Wirklich?« Das hatte Vic nicht gewußt, und obwohl er sah, wie Chris Moore schon auf die Musikbox zuging, fand er das interessant.
    »Jaah. Ich meine — was muß er gedacht haben an dem Tag, als er runterkommt und Frauchen Nummer zwei liegt da, den Kopf in den Gasofen gesteckt.«
    »Das nächste Mal sollte ich mir wohl besser einen Elektro herd anschaffen?«
    Tess lachte, laut. »Jaaah. Ich wette, Ted fand es nicht lustig, als British Gas sich den Slogan einfallen ließ: Kocht, backt, brät, und es schmeckt, Gas erfüllt immer seinen Zweck.« Der Tequila brachte Tess 5 sowieso schon kräftige Stimme zum Dröhnen. Eine Frau mit einem lila Strickhut auf dem Kopf, die allein an einem Tisch ihnen gegenüber saß, runzelte die Stirn in Tess’ Richtung, strengte sich an, sie in so tiefe Falten zu legen, daß es Tess nicht entgehen konnte. Die war aber schon nicht mehr zu bremsen. »Was meinst du, ob sie ihm je angeboten haben, wie die anderen Berühmtheiten auf den Werbeplakaten den Daumen hochzuhalten?«
    »Doch, ich glaube schon.« Vic hielt seinen Daumen hoch. »Nur kam aus Teds Daumen nicht diese kleine Flamme heraus, bloß ein leises Zischen und ein komischer Geruch. Und die Leute um ihn rum schrien: >Um Himmels willen, schaltet keine Lichter an!<«
    Tess lachte noch lauter, ein röhrendes, betrunkenes Hahaha.
    »Entschuldigen Sie!« sagte eine Stimme vor ihr. Tess hörte zu lachen auf. Durch den Schleier aus Trunkenheit und Kneipenrauch sah sie undeutlich eine Frau, deren Gesichtsfarbe praktisch nicht von der ihres Huts zu unterscheiden war.
    »Ja?« sagte Tess.
    »Würden Sie es bitte unterlassen, solch beleidigendes — solch unerhörtes...«, und hier kämpfte die lila behütete Frau um einen Sammelbegriff »... Zeug herumzuschreien!«
    Tess blinzelte sie an. »Warum sprechen Sie mich an?« fragte sie in aller Unschuld.
    »Nicht, daß es Sie etwas anginge — nicht, daß ich glaube, es schert Sie einen Pfifferling...«, fuhr die Frau fort, »aber Sylivia Plath war — Sylvia Plath ist — eine Heldin von mir.« Um ihre Augenwinkel versammelten sich die Krähenfüße, um ihrer tiefen Empörung Nachdruck zu verleihen.
    »Schon gut, schon gut«, sagte Tess, »aber warum sprechen Sie mich an?«
    Die Frau zitterte — kein großes Beben, sondern ein leichtes, gezügeltes, unter dem aber eine Riesenwut loderte. »Wie können Sie so eine Frage stellen? Das liegt doch wohl auf der Hand!« Sie schraubte ihre so schon plärrende Stimme noch eine Tonlage höher. »Sie haben Sylvia Plath beleidigt!«
    »Habe ich nicht«, sagte Tess und hob korrigierend ihren Zeigefinger. Sie war die Ruhe selbst, was teils vom Alkohol herrührte, teils aus der ihr immer eigenen Gelassenheit. »Ich habe beleidigende Bemerkungen über Ted Hughes gemacht. Und da Sie doch ein so großer Fan von Sylvia sind, sollte man doch denken, daß Sie das freut. Ted Hughes müssen Sie doch hassen.«
    Die Frau holte tief Luft und setzte zu einer Antwort an, aber statt Worten stieß sie dann bloß den eine Weile angehaltenen Atem aus.
    »Und außerdem«, sagte Tess, »habe ich ja weiter gar nichts gesagt. Na gut, ich habe mit dem Thema angefangen, aber falls hier überhaupt jemand was Beleidigendes gesagt hat«, sie deutete mit dem Zeigefinger auf Vic und kniff dabei wie ein Scharfschütze ein Auge zu, »dann war er es.« Ihre Augen umkreisten wieder die Frau. »Warum haben Sie ihn also nicht beschimpft?«
    Die Frau drehte den Kopf und sah Vic an, der schmunzelte (aber ein wenig beklommen, schmunzeln sollte man wirklich nur aus Behaglichkeit). Sie hätte Tess gern die Antwort gegeben — weil Sie eine Frau sind. Von Männern ist man ja nichts anderes gewohnt, als daß sie so einen Schrott von sich geben. Aber aus dem Mund einer Frau! Daß eine Frau so was durchgehen läßt, daß eine Frau eine feministische Heldin lächerlich macht — mein Gott, das ist Verrat!!—, aber selbst durch den Schutzpanzer, den ihr ihr lila Hut verlieh, wußte die Frau, daß der Zeitpunkt verpaßt war, an

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