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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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ist auch das Koks ein bißchen naß.«
    Vic und Ivan gingen hin und guckten. Das Pulver lag in drei flachen, klebrigen Klumpen auf dem Porzellan; es sah aus wie ein Maßstabsmodell irgendwelcher antarktischer Inseln.
    »Und was machen wir jetzt?«
    Ivan zuckte die Achseln. »Warten, bis es trocken ist«, sagte er.

    Als sie das Klo schließlich verließen, drängten sich draußen die wartenden Männer, die anscheinend alle einen legitimen Grund hatten, hier anzustehen. Die vorwurfsvollen Blicke jener, denen es kein Rätsel war, was Ivan, Vic und Chris sich gerade gegönnt hatten, wurden noch von dem entsetzten Blick eines älteren Manns am Ende der Schlange übertrumpft, der offenbar falsch riet.
    »Ganz locker...«, flüsterte Chris Moore Vic aus dem Mundwinkel zu, als sie sich wie eine schlaffe Polonaise durch das Gedränge kämpften. Als sie die Außentür der Toilette öffneten, sog Vic erleichtert die rauchige und nach altem Sofa riechende Luft der Bar ein. Er spürte die Brandung der Droge in seinem Kopf. Und er ließ sich von ihr hochtragen, ritt auf ihrem Wellenkamm, bereit, es mit der Welt aufzunehmen, mit Tess, mit Emma und den Nachrichten, die er am nächsten Dienstag im Rock Stop zu hören bekäme, gleich, wie sie ausfielen.
    »Okay, Vic«, sagte Chris Moore. »War schön, dich mal wiederzusehen.«
    »Jaah, dich auch«, sagte Vic und meinte es sogar, denn vor lauter Freude, daß Chris Moore sich jetzt endgültig verzog, mochte er ihn plötzlich, empfand einen regelrechten Schwall von Zuneigung für ihn. Als er sich dann umblickte und merkte, daß auch Ivan in der Menge verschwunden war, dachte Vic, daß er eindeutig wieder Aufwind hatte — solange ihm die Paranoia nicht in die Quere kam.

JOE

    U nter dem Mikroskop konnte Joe die Zellstruktur deutlich erkennen. Er guckte gerade durch sein Lieblingsmikroskop. Wie Joe wußte, konnten sich die meisten Leute nicht vorstellen, daß Wissenschaftler Lieblingsinstrumente hatten, was natürlich eine Folge ihrer Ferne und Abgehobenheit vom normalen Leben war. Aber doch ist es so — Wissenschaftler haben eine Beziehung zu ihren Skopen. Ärzte haben Lieblingsstethoskope, Physiker ihre bevorzugten Gyroskope, Kosmologen sehen ein bestimmtes Teleskop und verlieben sich in es — und Joe, der Biochemiker, hatte ein besonders befriedigendes und harmonisches Verhältnis zu diesem Mikroskop. Es war ein AO Microtome 820, in Grau und Schwarz, mit Triokular-Tubus und hundertfach vergrößernden Okularen, einem schweren Tisch für Petrischalen und einer Doppelzange für Objektträger; es war in den frühen Siebzigern hergestellt und hatte eigentlich keinen Platz mehr in einem modernen Forschungslabor, aber Joe hatte es umgerüstet, ein Mikrokamerasystem eingebaut, eine Reihe von Flitzefiltern und einen Ultraviolettbeleuchtungsspiegel, und es auf diese Weise vor der Labormülltonne gerettet. Es hatte sogar einen Namen, denn es stammte aus einer Zeit, wo Dinge wie Mikroskope noch getauft wurden: Grey Lady hieß es, und Joe fühlte sich immer in Einklang mit sich und der Welt, wenn er hineinsah und langsam die Fokussierräder drehte. Mit der Grey Lady ließen sich die Dinge langsam, aber absolut fokussieren; immer konnte der Punkt von Schärfe erreicht werden, von dem man wußte, daß er vollkommen war — man sah ihn nicht nur, man konnte ihn regelrecht fühlen, jenen optimalen Punkt, wo ein Tausendstel mehr oder weniger verkehrt gewesen wäre.
    Es war gut für Joe, daß die schiere Handhabung der Grey Lady ihm solche Befriedigung verschaffte, denn seine augenblickliche Aufgabe bereitete ihm keine. Er führte eine Biopsie durch. Die finanziellen Kürzungen, die Jerry Bloom für sein Labor angedroht hatte, machten sich inzwischen bemerkbar. Zwar hatte man Joes HIV-Forschung nicht ganz den Riegel vorgeschoben, sie jedoch erheblich beschnitten und als Zwischenregelung — so hieß es offiziell, aber Joe wußte, wie leicht daraus ein Dauerzustand wurde — sein Labor gezwungen, die ersten beiden Tage jeder Arbeitswoche Versuchen zu widmen, die an erster Stelle Geld brachten: Forschung für Kosmetik, hochwertige schmerzlindernde Mittel, neue Antihistamine — und Blut- und Gewebeanalysen, die der National Health Service für riesige Gelder bei Firmen wie Friedner in Auftrag gab, um die eigenen, völlig überforderten Untersuchungslabors zu entlasten: Friedner übernahm inzwischen bis zu dreißig Prozent aller Biopsien für die Krankenhäuser im Südosten. Von all den neuen Arbeiten,

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